Indien 2012

"Incredible India - Unglaubliches Indien"

Indien – alleine der Name dieses Landes rief bei mir ein Schaudern hervor, doch dieses Schaudern war nicht wohlig und voller Vorfreude, sondern ein leichtes Schütteln der Abneigung.
Ich wollte nicht in dieses Land, wo die Frauen nichts wert sind; wo Armut, Dreck, Lärm und Müll das Bild bestimmen, wo Rinder heiliger sind als Menschen und unzählige Bettler und Händler einen durch die Straßen der Orte verfolgen. …Und doch übte dieses Land eine ungeheure Faszination auf mich aus, denn dort würde ich die Chance haben, die größte noch lebende Raubkatze der Erde in freier Natur beobachten zu können – den Bengalischen Tiger.
Meine Katzenliebe nutzte Chris daher gnadenlos aus und überredete mich, in ein Land zu gehen, in das ich nie wollte. Alleine hätte er mich nie überzeugt, aber da unsere Freunde Kerstin und Uwe auch unbedingt nach Indien wollten, gab ich mich geschlagen und willigte ein. Zuerst sollte die Reise nur eine reine Tigersafari werden, gerade mal das Taj Mahal war als einziger Kulturpunkt geplant, aber irgendwie war uns das dann doch zu wenig. So informierten wir uns im Internet und fügten noch ein paar kulturelle Höhepunkte zu unserer Reise dazu. Da unser Afrikaurlaub bevor stand, blieb die weitere Ausarbeitung der Route an Kerstin und Uwe hängen, die mit der Agentur „Forts & Palaces Tours LTD, Indien" - (www.rajasthan-indien-reisen.de) einen sehr guten und zuverlässigen Reiseveranstalter fanden. Die Reiseagentur arbeitet vor Ort und stellte uns eine Reise zusammen, auf der wir mit dem Zug, dem Auto und dem Flugzeug diverse Strecken bewältigen würden. Im Gegensatz zu einigen anderen Reiseanbietern gefiel uns der Verlauf der Reise so gut, dass wir bereit waren - entgegen aller typisch deutscher Vernunft - mit einem indischen Reiseunternehmen zusammenzuarbeiten, wo wir keine gesetzlichen Reisesicherheiten hatten.

Einen passenden Flug fanden wir bei der Lufthansa, der uns ohne Zwischenstopp in 6,5 Stunden von München nach Delhi bringen würde.
Diesmal mussten wir auch ein Visum beantragen, was wir über die Indische Botschaft in München schnell und problemlos bekamen.
Wir schickten dazu unsere Pässe mit je zwei Passbildern zur Botschaft. Nach kurzer Zeit erhielten wir sie mit einem sehr aufwendigen Visum bestückt zurück.
Doch was nimmt man mit nach Indien? Wenn man an Indien denkt, sieht man ein heißes Land vor sich, also dünne Sachen.
Schaut man aber ins Internet sind die Temperaturen gar nicht so hoch, also brauchen wir auch ein paar wärmere Sachen. Feuchte Tücher für die Hände, Desinfektionstücher, Micropur zum Wasser desinfizieren, ein paar Süßigkeiten und ein paar BIFI´s, vielleicht noch eine Salami, denn dort gibt es ja nichts zu essen…, wichtig sind auch ein paar Tücher, denn Frauen und manchmal auch Männer müssen in vielen Tempeln ein Kopftuch tragen.
Auch die Apotheke stockten wir mit diversen Magen-/Darmmitteln auf. Malarone gesellte sich als Standby-Mittel gegen Malaria dazu.
So füllten sich nach und nach unsere Taschen. Bei unserem Hausarzt ließen wir uns nach einem Blick auf die Impfempfehlungen des Tropeninstitutes gegen Meningokokkenmeningitis und Japanische Enzephalitis impfen. Eine Tollwutimpfung ist gerade für Indien auch sehr empfehlenswert, doch die besaßen wir schon. Irgendwann kurz vor der Reise war dann alles geschafft.

Wir hatten hoffentlich nichts vergessen und konnten uns mal wieder in ein Abenteuer der besonderen Art stürzen. Chris voller Vorfreude und Begeisterung und ich voller Vorurteile, Abneigungen und Ängste.
Der Abreisetag rückte unaufhaltsam immer näher. Diesmal fiel mir der Abschied gleich doppelt schwer, denn ich musste ja in ein Land, in das ich nicht wollte und hinzu kam, dass wir seit einem halben Jahr einen kleinen Kater bei uns aufgenommen hatten, den wir zusammen mit unseren „reiseerfahrenen“ Katzen nun zum ersten Mal alleine lassen mussten. Natürlich waren die Katzen wie immer gut aufgehoben, aber trotzdem lag diesmal ein besonders schwerer Stein auf meinem Herzen.
So machten wir uns auf in ein ganz spezielles Abenteuer, voller Überraschungen, bunter Vielfalt, fantasievollen Köstlichkeiten und entdeckten ein Land, das seinesgleichen sucht. Ein Land voller Kontraste und Möglichkeiten, stolzen Menschen, kulturellen Höhepunkten und einer wunderschönen Natur. Meine Vorurteile zerbröckelten unter der Masse an Eindrücken und so langsam entstand ein völlig neues Bild von diesem Land aus 1000 und 1 Nacht. Aber lest doch selbst.

Freitag, 17.02.2012 - Samstag, 18.02.2012
1. - 2. Tag

An unserem Abreisetag weckte uns kein Weckerklingeln, an diesem Morgen weckte uns die Aufregung, denn nun gab es kein Zurück mehr. In ein paar Stunden würden wir zum Flughafen fahren und einem ungewissen Abenteuer ins Auge blicken. Die wenigen Stunden daheim verflogen nur so. Unsere Miezen spürten schon lange, dass wir wieder in Aufbruchstimmung waren, aber als „alte Hasen“ waren sie mittlerweile ziemlich cool und unser kleiner Micky, der ahnte noch gar nichts und benahm sich völlig normal.
So knuddelten wir die drei noch einmal ganz fest und versprachen bald wieder zu kommen, dann schloss sich am frühen Abend die Wohnungstür und wir brausten dem Flughafen entgegen.
Diesmal mussten wir zum Terminal 1, da wir mit der Lufthansa flogen. Wir hatten mal wieder heftigste Bedenken wegen unserer Fotorucksäcke, aber diesmal erwies sich diese Angst als unbegründet. Da wir unsere Tickets schon daheim ausgedruckt hatten, konnten wir an einem Computer das Gepäck einchecken und absolut ‚menschenfrei’ auf die Reise schicken. Mit unseren ‚federleichten’ Rucksäcken gingen wir noch zu McDonalds und futterten das obligatorische Abendessen, denn wir waren ja felsenfest davon überzeugt, dass wir in Indien abnehmen würden. Der ganze ‚Currymist’ war einfach nicht unser Ding, aber wir hatten ja genug Süßigkeiten dabei. Wie sehr wir uns doch täuschten…

Nach dem Security Check, der wie immer etwas Zeit kostete und einem netten Plausch mit den Beamten, kamen wir an unser Gate, wo schon der Flieger stand. Bald darauf war das Boarding und wir gingen an Bord. Zum Glück war der Flieger in 2-4-2 Plätze aufgeteilt, so dass niemand neben uns saß und Chris seine Beine in den Gang ausstrecken konnte. Der Flieger war sehr bequem und der Sitzabstand für uns beide ausreichend. Zig deutsche Filme liefen auf dem Inflight Entertainment im Vordersitz, so dass wir eigentlich keine Zeit zum Schlafen gehabt hätten. Da es jedoch ein Nachtflug war, fielen mir schon bald nach dem Essen die Augen zu. Erst der Duft von frischem Kaffee weckte mich und ich öffnete gerade die Augen, als mir die Flugbegleiterin ein feuchtes Tuch entgegen hielt. Verschlafen wischte ich mir über das Gesicht und die Hände, dann wagte ich den ersten Blick hinaus. Doch es war noch sehr dunkel und ich sah gar nichts. Das Frühstück weckte dann endgültig unsere Lebensgeister und auch draußen dämmerte es bereits. Je näher wir Indien kamen, desto hibbeliger wurde ich. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, klappt alles, werden wir abgeholt, sind Kerstin und Uwe gut angekommen, werde ich dieses Abenteuer unbeschadet überstehen???
Sanft setzten wir zur Landung auf, doch sehen konnten wir erst einmal gar nichts. Der Flughafen von Delhi lag im Morgendunst, so dass nicht einmal der Tower zu erkennen war. Oh je, wie sollen wir denn da die Sehenswürdigkeiten Delhis erkennen? Ein dicker „To do-Ordner“, den Kerstin und ich ausgearbeitet hatten, lag in unserem Gepäck und wies für jede Stadt die wichtigsten Sehenswürdigkeiten aus.
Das Gepäck kam relativ schnell, wir tauschten noch Geld und spazierten dann ohne Kontrolle durch den Zoll in die Vorhalle des Flughafens. Suchend schauten wir uns um, nach jemand, der uns abholt. Am Rande der Schlange entdeckten wir dann ein passendes Schild und ein müder Shakti Singh Rathore streckte uns die Hand zur Begrüßung entgegen.
Das „Herzlich Willkommen“ aus unserem Reisekatalog hätten wir uns zwar etwas anders vorgestellt, aber ein nettes Lächeln reichte selbstverständlich auch aus. Unser Reiseführer für Delhi sprach deutsch, leider nicht sonderlich gut, aber vielleicht war er ja auch nur schüchtern. Jedenfalls lotste er uns vor dem Flughafen über eine Straße, wo schon andere Leute auf eine Fahrgelegenheit warteten, und telefonierte. Eine Reisegruppe wollte uns schon integrieren, indem sie unser Gepäck in einen Kleinbus laden wollte, aber das lehnten wir freundlich ab. Dann kam unser Fahrer und Delhis Stadtverkehr hupte laut auf uns ein. Fasziniert beobachteten wir den Verkehr, in dem immer der Stärkere Recht hat, es weder Regeln noch Richtlinien gibt und alles scheinbar geordnet drunter und drüber geht.
Wir wurden ins Hotel „The Amber“ gebracht. Das Hotel war relativ klein und scheinbar unbekannt, denn weder der Fahrer noch der Reiseleiter kannten es. Mit Hilfe von Chris GPS fanden wir es zum Glück und unser Kleinbus spuckte uns vor der Lobby aus.
Hier kamen uns gleich Kerstin und Uwe entgegen, die schon ein paar Stunden vor uns gelandet waren. Wir brachten unser Gepäck auf das nett eingerichtete Zimmer und trafen uns wieder in der Lobby, um den weiteren Tagesablauf zu besprechen.
Kurz frisch gemacht und schon stürzten wir uns um 11 Uhr gut gelaunt und voller Tatendrang in Delhis chaotischen Verkehr. Der Dunst hatte sich glücklicherweise etwas aufgelöst.

Zuerst fuhren wir zum Humayun-Mausoleum, das 1993 von der UNESCO zur Weltkulturerbestätte erklärt wurde. Diese traumhaft schöne Oase ist die Grabstätte von Nasir ud-din Muhammad Humayun, dem zweiten Herrscher des Großmogulreiches von Indien. Es wurde im Auftrag seiner Frau 1565, 9 Jahre nach seinem Tod, fertiggestellt. Das Mausoleum mit seiner 43 m hohen Marmorkuppel gilt als Prototyp der Mogul-Grabmäler und als schönstes Bauwerk der frühen Mogul-Epoche. Die ohne rahmende Minarette errichtete Grabstätte befindet sich inmitten einer weiträumigen, geometrisch angelegten und von vier Wasserläufen durchzogenen parkähnlichen Gartenanlage. Mit Wasser gefüllte Rinnen laufen symmetrisch auf das Gebäude zu, Springbrunnen plätschern, Palmen wiegen sich im Wind. Ein Ort voller Harmonie in dieser lebenssprudelnden Großstadt. Fast schon ehrfürchtig und staunend durchwanderten wir diesen faszinierenden Bau. Immer wieder hielten wir für Bilder an und konnten uns kaum davon losreißen, doch unser Reiseführer lotste uns weiter. Es gab an diesem Tag noch einiges zu erkunden.

Nach „Humayuns Tomb“ fuhren wir auf dem Raj Path, einer von breiten Grünflächen gesäumten Prachtstraße durch das Regierungsviertel, in dem sich auch das India Gate befindet. Hier tummelten sich Menschenmassen auf den Wegen und dem Rasen, unzählige Tretboote bewegten sich eifrig über das Wasser, Süßspeisen- und Souvenirverkäufer schlängelten sich durch den Trubel. Das Ganze hatte schon Volksfest-Charakter. Wir überlegten kurz, ob wir halten sollen, aber es war uns einfach zu viel Gewusel. So fuhren wir weiter, vorbei an palastähnlichen Regierungsgebäuden die von den Engländern in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erbaut wurden bis zur größten Moschee Indiens - der Jama Masjid. Sie wurde von Shah Jahan, dem fünften und vorletzten Großmogul auf einem kleinen Felsen errichtet und thront somit über den quirligen Basarvierteln Old Delhis, ganz in der Nähe des Roten Forts. Sie besteht aus rotem Sandstein und hat 40 m hohe Minarette auf denen je ein zwölfseitiger, offener Pavillon sitzt. Die Kuppeln, von denen die mittlere die größte ist, bestehen aus weißem Marmor und die Streifen in den Kuppeln aus schwarzem Marmor. Eine breite Treppe führte uns zur Moschee empor. Vor dem gewaltigen Eingangstor mussten wir unsere Schuhe ablegen. Da noch Gebetszeit war, schauten wir uns davor noch etwas um und beobachteten von oben das quirlige Treiben auf den engen Basarstraßen.
Um die Moschee betreten zu dürfen, mussten wir Frauen einen kunterbunten Kittel überziehen, so dass wir uns vorkamen wie in Kittelschürzen der 70er Jahre. Dafür durften jedoch die Haare unbedeckt bleiben.
So hübsch bekleidet gingen wir dann in den 90 x 90 m großen Innenhof, der über 20 000 Gläubigen Platz bietet. In der Mitte des Platzes befindet sich ein Brunnen, um den viele Gläubige saßen. Auf der einen Seite des Platzes lag weit verstreut Taubenfutter aus. Darum gab es hier auch unzählige Tauben, die immer wieder über den Platz und um die Moschee flogen. Wir gingen zuerst direkt auf die Moschee zu. In der großen Gebetshalle knien die Menschen nieder und berühren mit dem Kopf den Boden. Ein Lehrer saß in einer Ecke und unterrichtete den Koran. Um ihn herum saßen dicht gedrängt Menschen und lauschten seinen Worten. Alles war so anders und fast schon auf Zehenspitzen ging ich durch die Halle der Moschee. Doch die Gläubigen ließen sich nicht stören. In Indien leben riesige Familien auf engstem Raum zusammen, Privatsphäre ist hier größtenteils ein Fremdwort, die Menschen sind sehr tolerant auch Fremden gegenüber. Da fühlten wir uns sicher oftmals als Störenfried, der aber gar nicht als solcher wahrgenommen wurde.
Zurück auf dem freien Platz wurden wir immer wieder angesprochen und zusammen mit der Familie fotografiert. Hier waren wir eindeutig die Attraktion und besonders uns Frauen pickten sich die Inder immer wieder heraus. Besonders junge Leute kamen mit der Kamera auf uns zu. Anfangs dachte ich noch, dass ich sie mit der eigenen Kamera fotografieren soll, das wurde aber stets lächelnd verneint und ich musste mit aufs Bild. Die Inder lassen sich aber meistens auch sehr gerne fotografieren und gerade die Frauen in ihren bunten Saris sind einfach wunderschöne Motive.

Nach der ausgiebigen Besichtigung dieser absolut eindrucksvollen Moschee stürzten wir uns in die engen Gassen des Basars. Eigentlich wäre eine Fahrrad-Rikschafahrt angedacht gewesen, aber wir wollten lieber laufen und so den Trubel auf uns wirken lassen. Die Gassen waren zum Teil so eng, dass sich die Fußgänger, Mopedfahrer und Rikschas schon fast stapelten, aber irgendwie ging es immer weiter. Das Hupen und Klingeln war allgegenwärtig. Dann schoben auch noch Händler ihre Obst-  und Gemüsewägen durch die Gassen. Wir staunten nur. Die Läden waren zur Straßenseite offen und die Verkäufer saßen fast direkt am Weg. Sehr interessant war auch das Stromnetz in den Gassen. Kabel über Kabel hingen kreuz und quer für uns ohne Sinn und Verstand, aber es funktionierte.
Staunend schoben wir uns durch das Gassengewirr und konnten gar nicht genug von diesem exotischen Mix aus Chaos und normalem Tagesablauf der Menschen hier bekommen.

Nach diesem pulsierenden Leben kam uns der Besuch von Raj Ghat, der Ruhestätte von Mahatma Gandhi schon fast unwirklich ruhig vor. Aber dieser Ort ist ja auch ein Ort des Gedenkens und der Ruhe. Ein schwarzer Marmorblock auf dem eine ewige Flamme lodert markiert die Stelle, an der Mahatma Gandhi nach seiner Ermordung 1948 beigesetzt wurde.
Weiter ging die Fahrt mit unserem Guide durch die Stadt. Unser nächstes Ziel war der 9 km vom Stadtzentrum entfernt liegende Swaminarayan Akshardam Tempel. Sein Name bedeutet, der ewige Ruheplatz von Bhagwan Swaminarayn (1781 – 1830), der ein Fackelträger der indischen Kultur und Spiritualität war. Nur 4 Jahre nach der Grundsteinlegung wurde der Tempel am 6.11.2005 eröffnet. Über 20.000 kleine und große Skulpturen wurden für das Monument hergestellt. 148 Elefanten, 125 menschliche Figuren und 42 Tiere zieren die Umrandung des Tempels.
Schon von weitem sieht man dieses gigantische Bauwerk. Ein riesiger Parkplatz fängt den täglichen Besucheransturm ab. Vor dem Tempel mussten wir uns nach Frauen und Männern getrennt in die Schlangen einordnen. Witzig war, dass wir die kleinen indischen Frauen um mindestens eine Kopflänge überragten und somit eindeutig die größten in der Schlange waren. Die Inder sind ja für ihre Ungeduld bekannt und so drängelten sich schon bald ein paar Frauen an uns vorbei. Wir nahmen es mit Humor, denn auf einen mehr oder weniger kam es in dieser langen Schlange nun wirklich nicht mehr an. Am Eingang wurden wir strengstens durchsucht, so musste jeder durch einen Metallscanner gehen und wurde dann noch mit einem Handscanner gescannt. Dann wurden unsere Taschen genauestens untersucht, bei mir fand die fleißige Inderin Kaugummis, die ich dann in den Müll werfen musste. Alternativ hätte ich auch draußen warten können. So sehr hing ich dann doch nicht an den Kaugummis und so trennte ich mich zähneknirschend davon. Die Anlage durfte nur ohne Schuhe betreten werden und auch unsere Kameras mussten draußen bleiben. Das Fotografieren ist in der Anlage nämlich strengstens verboten, warum kann einem niemand erklären. Aber auch ohne ein Bild zu machen beeindruckte uns dieser Tempel sehr. Die Figuren waren genial gearbeitet. Wir konnten uns kaum vorstellen in welch kurzer Zeit dieser faszinierende Tempel entstanden war.
Eigentlich sollten wir hier die Lichtershow am Abend erleben, aber dafür war es einfach noch zu früh und gut 2 Stunden wollten wir nicht warten. So fuhren wir noch einmal zurück in die Stadt bis zum Roten Fort, in der Hoffnung dort noch den Sonnenuntergang erleben zu können. Doch leider hatten wir nicht mit dem Verkehr gerechnet und so zogen sich die knapp 9 Kilometer bis zum Fort ganz schön in die Länge. Auf einem Parkplatz setzte uns unser Fahrer ab und von dort aus gingen wir noch ein Stück Straße zu Fuß. Zuerst mussten wir schon auf dem Fußgängerweg Autos ausweichen, die sich hupend einen Weg durch die Menschenmengen bahnten. Dann sollten wir noch eine völlig verstopfte mehrspurige Straße überqueren. Den ersten Teil der Straße schafften wir relativ mühelos, doch dann kletterten und balancierten wir noch auf den erhöhten Mittelstreifen (1 m hoch) bis wir einen Weg auf die andere Straßenseite gefunden hatten. Das kam einem so richtig unwirklich vor und unser Reiseführer, den wir mittlerweile ‚Ranjit, die Träne‘ getauft hatten, schaute sich nicht mal nach uns um, sondern bahnte sich stur seinen Weg.
Endlich kamen wir glücklich und heile am Roten Fort an, nur um dann zu erfahren, dass es schon geschlossen hatte. Hätte das nicht der Reiseleiter wissen müssen? Vor dem Fort war noch eine tolle Atmosphäre und das letzte Licht lag auf den roten Sandsteinmauern. Auch hier wurden wir wieder von neugierigen Frauen umringt, die unbedingt ein Bild mit uns wollten.
Zurück schlängelten wir uns wieder durch unzählige hupende Autos, Tuk Tuks, Fahrrad-Rikschas und Mopeds, umrundeten Hunde, die  mitten auf dem Weg lagen und schlängelten uns an geschäftigen Menschen vorbei. Wieder kamen uns auf dem Fußweg Autos laut hupend entgegen, es staubte und immer wieder mussten wir Hindernissen ausweichen. Irgendwie haben wir es geschafft und kamen unbeschadet auf dem Parkplatz an. Für heute hatten wir genug gesehen und erlebt. Es war ein langer, erlebnisreicher Tag und wir wollten nur noch zurück ins Hotel.
Unser Reiseleiter handelte mit uns noch etwas die morgendliche Startzeit aus und so verabredeten wir uns für 8.15 Uhr morgens im Hotel.
Auf der Dachterrasse des Hotels gab es die Möglichkeit zu essen. Wir waren ganz alleine über den Dächern von Delhi und bestellten uns unser Abendessen. Wir hatten uns für zwei indische Hühnchengerichte entschieden und  lagen damit absolut richtig. Da es mittlerweile dunkel wurde, kühlte es ganz schön ab. Doch neben uns stand ein Heizstrahler, den der Kellner anstellte und so saßen wir schon bald zufrieden kauend auf der Dachterrasse und lauschten den Geräuschen der Großstadt.
Nach diesem ersten langen Tag fielen wir sehr müde und zufrieden in unsere Betten. Wir hatten viel gesehen und freuten uns schon auf den nächsten Morgen.

Übernachtung: Hotel - The Amber, Delhi
Sonntag, 19.02.2012
3. Tag

Um 6.30 Uhr klingelte gnadenlos unser Wecker, aber wir hatten ja auch an diesem Tag wieder viel vor. Doch zuerst wartete das Frühstück auf uns. Müsli und Joghurt, frische Papaya und Bananen, Eier in jeder erdenklichen Variante, Toast und jede Menge indischer Köstlichkeiten standen zum Verzehr bereit und so ließen wir es uns gut gehen. Einzig der Kaffee war für mich absolut ungenießbar, denn Instantkaffee ist einfach nicht mein Ding und so wechselte ich nach ein paar Versuchen diese Brühe zu trinken schon bald auf schwarzen Tee um.
Überpünktlich um 8 Uhr morgens war unser etwas mürrischer Ranjid da und so fuhren wir zum Sikh Tempel Gurudwara Bangla Sahib in Delhi. Dort parkten wir ganz modern in einer Tiefgarage und gingen zu Fuß die letzten Meter bis zum Eingang des Tempels.
Vor dem Tempel wurde gebaut und Massen an Menschen halfen freiwillig und unentgeltlich den Eingangsbereich zu renovieren.
Zuerst gingen wir in einen Seitenbereich. Dort mussten wir unsere Schuhe und Socken ausziehen, setzten Kopftücher auf und bekamen eine kleine Einweisung von einem Sikh zum Tempel und den Gebräuchen der Sikhs.
Nach dem Reinigen der Füße und Hände durften wir den Tempelbereich betreten. Hier war alles so ruhig und nichts vom Lärm und Stress Delhis war in diesem Tempel zu spüren. Wir setzten uns kurz in den Gebetsraum und lauschten ein paar Minuten der Lesung aus dem heiligen Buch, einem Sprechgesang. Danach gingen wir in den Innenbereich des Tempels, wo sich die goldenen Kuppeln in einem großen quadratischen Tempel-Teich spiegeln. Dem Wasser in dem Teich werden heilende Kräfte zugesprochen. Hier baden die Sikhs, beten oder genießen einfach die kleine Auszeit an diesem friedlichen Ort. Die Menschen waren sehr freundlich und nett und ließen sich gerne fotografieren. Dabei hatte es uns besonders ein älteres Paar angetan, das so in sich selbst ruhte und dabei Glück und Zufriedenheit ausstrahlte, wie man es heutzutage nur noch selten findet. Aber auch wir mussten wieder für Bilder ‚herhalten’.
Der Tempel begeisterte uns sehr, umso mehr freuten wir uns auf seinen großen Bruder, den ‚Goldenen Tempel’, den wir ja schon morgen in Amritsar besuchen würden.
Als wir den Tempel durch den Eingang verlassen hatten, führte uns unser Reiseleiter über eine Seitenstraße in die Tempelküche. Ein riesiger Speisesaal, voll mit Menschen, die hier umsonst Essen bekommen, lag vor uns. Staunend gingen wir durch die Reihen. Hier saßen dichtgedrängt Menschen aller Kasten und Religion und aßen. Helfer gingen durch die Reihen und verteilten Brot oder füllten die Teller nach. Das Essen sah sehr lecker aus, aber wir waren absolut satt vom Frühstück und konnten nur fasziniert zusehen. Danach durften wir auch noch die Küche besuchen, wo wieder Freiwillige die Arbeit verrichteten. In riesigen Kupfertöpfen dampfte und brodelte es. Männer rührten mit langen Stangen um. Eindrücke prallten auf uns ein. Es war einfach fantastisch. Begeistert schauten wir in die Töpfe und schlenderten durch die Großküche. An einer anderen Stelle wurde Brot gebacken, freiwillige Helfer kneteten Teig und formten die typischen Fladen. Andere wendeten sie über den heißen Platten. Wir konnten uns kaum losreißen von diesem interessanten Ort.
Als wir wieder auf der Straße standen war es irgendwie, als ob wir aus einer anderen Zeit kämen, wo alles etwas langsamer und friedlicher abläuft. Wir holten unsere Schuhe ab und wanderten zurück zum Auto.

Ein paar Kilometer weiter fuhren wir durch Delhis Morgenverkehr zu den Lodi Gärten. In dieser gepflegten grünen Oase befinden sich die Gräber der Sayyid-und Lodi-Herrscher.
Das Grab des Muhammad Shah (1450) soll als Prototyp für das später geschaffene Grab des Humayun im Mogulstil gedient haben. Dieses Grabmal war wiederum maßgebend für die Architektur des Taj Mahal. Beeindruckt wanderten wir durch die Ruinen und betrachteten die Gräber inmitten einer wunderschön angelegten Parkanlage. Hier konnte man sich etwas vom Alltagsstress erholen, Sport treiben oder einfach nur die Ruhe abseits der täglichen Hektik genießen.
Voller Menschen und Touristengruppen präsentierte sich uns der Qutb Minar Komplex, den wir als nächstes besuchten.
Die Gebäude stammen alle aus der Anfangszeit der moslemischen Herrschaft über Indien und sind Beispiele afghanischer Architektur. Der Qutb Minar selbst ist eine Siegessäule, deren erste drei Stockwerke aus rotem Sandstein errichtet wurden. Der vierte und fünfte Stock sind aus Marmor und Sandstein. Der Bau begann sofort nach Unterwerfung des letzten Hindu-Königreiches von Delhi im Jahr 1193. Der Turm ist 73 m hoch. Er beginnt mit 15 m Durchmesser am unteren Ende und verjüngt sich auf 2.5 m an der Spitze. Heutzutage steht er durch die Last vieler Jahre etwas schief, ist aber nicht weniger eindrucksvoll.
Direkt beim Qutb Minar befindet sich Indiens erste Moschee. Stolz trägt sie den Namen Quwwat-ul-Islam-Moschee “Macht des Islam”. Qutb-ud-Din begann 1193 mit dem Bau der Moschee, die in den folgenden Jahrhunderten zigmal um- und ausgebaut wurde.
Im Innenhof der Moschee ragt eine eiserne Säule 7 m in die Höhe. Dort hatte sie ihren Platz schon lange bevor mit dem Bau der Moschee begonnen wurde. Der Hindu-König Chandra Varman ließ sie ursprünglich im 5. Jahrhundert nach Chr. aufstellen. Aus einer Sanskritinschrift geht hervor, dass man sie hierher brachte. Die Reinheit des verwendeten Eisens ist außergewöhnlich, denn sie rostet selbst nach 2000 Jahren nicht. Bisher ist es keinem Wissenschaftler gelungen solches Eisen herzustellen.
Glaubt man einer alten Sage, dann geht jedem, der die Säule mit dem Rücken zu ihr umfassen kann, ein Wunsch in Erfüllung. Wir haben uns jedoch mit der Betrachtung dieser außergewöhnlichen Säule aus der Ferne begnügt.
Ebenfalls auf dem Gelände des Qutb Minar Komplexes befinden sich die Überreste von Alai Minar. Hier sollte eine weitere Siegessäule entstehen, die doppelt so hoch wie Qutb Minar werden sollte. Der Bauherr Ala ud-Din Khalji verstarb jedoch als sie 27 m hoch war und es fand sich niemand, der sie vollendete. So kann man heutzutage die unvollendete Säule begutachten, die sich etwas nördlich der Moschee befindet.
Dieser Ruinenkomplex war wirklich toll, aber leider waren dort viel zu viele Menschen. Hier wären wir gerne mal alleine gewesen und hätten dem Flüstern der Mauern gelauscht und die Schatten der Vergangenheit betrachtet.
Eigentlich wollten wir noch den Lotustempel besuchen, der das bisher jüngste der weltweit sieben Häuser der Andacht der Bahai-Religion ist und sich im Stadtteil Bahapur Neu-Delhis befindet. Der Name leitet sich von der Form des Gebäudes ab, das an die typische Gestalt einer Lotusblume erinnert. Das Gebäude wurde am 24. Dezember 1986 eröffnet, gewann seitdem zahlreiche Architekturpreise und wurde in unzähligen Zeitschriften und Zeitungen abgebildet. Als wir jedoch die Menschenmassen in Form einer schier unendlichen Schlange sahen, mussten wir unser Vorhaben aufgeben und uns mit einem Blick aus der Ferne im Vorbeifahren begnügen.

Wir fuhren ins Hotel, packten unsere Taschen und bezahlten die Rechnung. Sehr nett fanden wir auch, dass wir die Zimmer bis 15 Uhr behalten durften. Dann ging es zum Bahnhof, wo unser Zug (Abfahrt um 16:30 Uhr) schon angeschrieben stand. Hier warteten wir noch eine Zeit bis unser Zug kam. Uwe musste sich mal wieder kümmern, denn unser Reiseleiter hatte keine Ahnung wohin wir mussten, aber mit Uwes Hilfe war alles kein Problem. Als der Zug pünktlich einfuhr standen wir schon fast an der richtigen Tür. Auf einer Liste neben der Zugtür fanden wir unsere Namen angeschrieben, so dass wir schnell das richtige Abteil fanden. Doch nur drei Plätze waren nebeneinander. Mein Platz lag etwas abseits. Zum Glück tauschte ein Junge mit mir und so konnte ich bei Chris sitzen bleiben. Auch wenn die Sitze etwas abgewohnt waren, so merken wir, dass wir in der 1. Klasse saßen. Wir hatten viel Platz und konnten sogar mit unseren zwei Fotorucksäcken bequem sitzen. Einzig die Sitzeinteilung war etwas komisch. So ging die Hälfte der Sitze in eine Richtung und die andere in entgegen gesetzter Richtung. Wir hatten Pech, wenn man es so ausdrücken möchte und fuhren rückwärts unaufhaltsam Amritsar entgegen.
Die Verpflegung im Zug war super. Zuerst bekamen wir jeder eine Flasche Mineralwasser, dann gab es eine kleine Zwischenmahlzeit und später ein richtiges Abendessen, auf das wir aber verzichteten, da wir nach dem Snack schon satt waren. Anderen Passagieren schmeckte das Essen wohl recht gut, denn schon bald erklangen laute Rülpser durch den Waggon. Das ist in Indien ganz normal, aber auf uns wirkte es etwas komisch und nur mit Mühe konnten wir ein lautes Auflachen unterdrücken. Schmunzelnd sagten wir, dass es ja schon prima sei, dass niemand auf den Boden spuckt, denn auch das ist in Indien völlig normal. In einem Reiseführer las ich, dass man schon ein besonders gutes Karma braucht, wenn man durch Indien reist und nicht aus Versehen angespuckt wird. Tja, da hatten wir wohl Glück, denn keiner von uns Vieren wurde bis zum Ende der Reise von Spucke erwischt, auch wenn es oftmals recht knapp war.
Da wir gerade in alberner Stimmung waren, stellte Chris noch todernst fest, dass hier sehr viele Inder Kopfverletzungen haben und mit riesigen Kopfbandagen herumlaufen müssen – die Armen. Gut gelaunt verrann die Zeit geradezu und draußen rauschte die Landschaft an uns vorbei. Dörfer mit kleinen Tempeln leuchteten uns im schwächer werdenden Licht entgegen. An den Schranken tummelten sich Autos und Menschen, Bäume und viele Felder flogen vorbei. Um ca. 18 Uhr versank die Sonne langsam hinter den Horizont und es wurde dunkel draußen.
Um ca. 23 Uhr erreichten wir, mit kleiner Verspätung den Bahnhof von Amritsar. Die 6,5 Stunden Fahrt waren kurzweilig und haben uns so richtig gut gefallen. Direkt an der Zugtür wurden wir schon von Paul, unserem Reiseleiter erwartet. Paul ist ein Sikh, aber wie er uns sagte, ein moderner Sikh, denn er kleidet sich ganz normal und trägt keinen Turban. Er schnappte sich sofort einen Koffer und lotste uns durch den menschengefüllten Bahnhof zu unserem Auto, wo Bundy, unser Fahrer, diesmal ein traditioneller Sikh mit Turban, auf uns wartete.
Schnell kamen wir beim Ritz Plaza, unserem Hotel für die nächsten zwei Tage an. Das Hotel hatte sicher schon bessere Tage gesehen, denn es wirkte etwas abgewohnt. Der Pool war eine Baustelle, aber den hätten wir eh nicht gebraucht, denn dafür würden wir wirklich keine Zeit haben. Wir verabredeten uns mit Paul für den nächsten Morgen um 8.30 Uhr, denn nach dem langen Tag wollten wir etwas länger schlafen – auch Chris – ehrlich.
Das Zimmer war ganz nett mit älteren Möbeln, aber einem blitzblanken wunderschönen Marmorfußboden.
Zum Abschluss des Tages gab es noch ein Kingfisher-Bier und ein paar Chips und schon bald schlummerten wir dem nächsten Morgen entgegen.

Übernachtung: Hotel Ritz Plaza, Amritsar

Montag, 20.02.2012
4. Tag

Bis 7 Uhr war heute ausschlafen angesagt. Noch etwas verschlafen zog ich die Vorhänge vor den Fenstern in unserem Zimmer zurück und musste enttäuscht feststellen, dass draußen alles grau in grau war. Gerade heute in Amritsar, wo wir uns den Goldenen Tempel anschauen wollten, grummelte ich. Auf die Stadt hatten wir uns trotz gemischter Gefühle schon sehr gefreut, denn der Goldene Tempel war ganz eindeutig ein Highlight unserer Reise.
In Amritsar bzw. im Goldenen Tempel hatte sich 1984 der militante Anführer der Sikhs Jarnail Singh Bhindranwale verschanzt. Die Unruhen zwischen den Hindus und den Sikhs, die für einen unabhängigen Staat kämpften, hatten ihren Höhepunkt erreicht als am 5.6.1984 die Premierministerin Indira Gandhi den Goldenen Tempel gewaltsam von der indischen Armee stürmen ließ. Dabei fanden ca. 500 Menschen den Tod. Kurz darauf wurde Indira Gandhi durch zwei Sikh-Leibwächter am 31.10.1984 bei einem Attentat getötet. In Neu-Delhi kam es zu Gewaltausbrüchen, bei denen über 4000 Sikhs getötet wurden, da die Armee erst nach drei Tagen eingriff. Infolge dieser Gewaltakte war Amritsar lange Zeit für Touristen gesperrt und wurde erst Mitte der 90er wieder für den Tourismus freigegeben.
Doch zuerst gab es Frühstück. Obwohl außer uns kaum Gäste im Restaurant waren, klappte es nicht so ganz, denn Kaffee und Tee kamen erst als wir unser überaus schmackhaftes Omelett schon verspeist hatten.

Pünktlich um 8.30 Uhr holten uns Paul und Bundy ab. Auch in Amritsar herrschte buntes Treiben auf den Straßen. Alles war mit Fahrrädern, Rikschas, Mopeds, Autos und Menschen verstopft. Das Hupen und Klingeln dröhnte in den Ohren, alles ging wieder drunter und drüber und trotzdem irgendwie geordnet ab. Jedenfalls quetschten wir uns durch den Verkehr der größten Stadt des Bundesstaates Punjabs bis wir ganz in der Nähe des Goldenen Tempels waren. Ein Teil des Weges war gesperrt und so gingen wir mal wieder zu Fuß durch die Gassen bis zum Tempel. Paul geleitete uns zur ‚Schuhannahmestelle‘ und sorgte dafür, dass alle unsere Schuhe zusammen abgestellt wurden. Auch hier passten wieder freiwillige Helfer auf die Schuhe der Pilger und Tempeltouristen auf. Es kostete uns schon etwas Überwindung die Schuhe und auch die Socken abzulegen, denn die Wege waren noch feucht vom Regen und es war sehr frisch an diesem Morgen. Am Eingang mussten wir wieder zuerst die Hände und dann die Füße waschen, wobei Tempelwächter ein Auge darauf hatten, dass dieses Ritual auch eingehalten wird. Das Badewasser für die Füße war an diesem kalten Morgen richtig angenehm warm, sodass wir gerne durchliefen. Kopftücher gab es kostenlos am Eingang oder bei der Schuhannahme. Nun waren wir richtig ausgestattet und konnten uns ins Getümmel der Tempelanlage stürzen.
Als wir durch das Eingangstor kamen, sahen wir den Goldenen Tempel – Hari Mandir (Harmandir Sahib) zum ersten Mal mit eigenen Augen. Imposant thronte der zweistöckige Marmortempel mitten im heiligen Amrit Sarovar (Nektarteich) vor uns, dem die Stadt ihren Namen verdankt, und ist nur über einen Steg (die Gurus-Brücke) aus zu erreichen.
Priester rezitieren ununterbrochen in Gurmukhi aus dem heiligen Buch der Sikhs, was über Lautsprecher im gesamten Tempelbereich übertragen wird. Das erste heilige Buch, der Guru Granth Sahib (auch Adi Granth, Ur-Buch genannt), wird tagsüber unter einem Tuch im Hari Mandir Sahib (dem Goldenen Tempel) aufbewahrt und abends in den Akal Takhat (den Sitz der obersten religiösen und politischen Autorität der Sikhs) zurückgebracht. Dieser Zeremonie kann man beiwohnen, was wir uns für den Abend vornahmen. Doch vorerst wollten wir das Tempelgelände erkunden.
Am und im Wasser beteten Menschen. Es war richtig viel los an diesem Morgen. Die Wolken hingen dramatisch über dem Tempelgelände, doch ab und zu blitzte mal die Sonne durch. In solch einem Moment erstrahlte das Gold des Tempels wunderschön im Licht, so dass man die Augen kaum abwenden konnte. Trotz der vielen Menschen strahlte dieser Ort eine ganz besondere Atmosphäre aus und so wunderte es uns nicht, dass dieser Sikh Tempel mehr indische Besucher anzieht als das Taj Mahal.
Die ganze Tempelanlage ist mit Marmor ausgelegt, der an diesem Morgen extrem rutschig war, so dass man ganz genau aufpassen musste wohin man ging. Wir umrundeten den Tempel mindestens einmal, fotografierten was die Kameras hergaben und waren einfach nur fasziniert und begeistert. Auch hier waren die Menschen wieder absolut nett und sehr geduldig mit uns Fotografen. Wenn wir sie fragten, ob wir fotografieren dürfen, nickten sie fast immer in typisch indischer Art, indem sie den Kopf leicht und bedächtig schüttelten. Aber mit der Zeit wussten wir was ja oder nein heißt. Danach machten sie einfach normal weiter ohne noch groß auf einen zu achten, dadurch wirkten sie sehr souverän und stolz auf uns und auch die Bilder wirken eigentlich nicht gestellt, sondern eher natürlich. Ich könnte das nicht, denn wenn auf mich eine Kamera gerichtet ist, versteife ich mich und schaue aus, als ob ich auf eine Zitrone gebissen hätte. Umso mehr beneidete ich die Menschen um ihre Natürlichkeit.

Nach unserer Runde wartete noch ein weiteres Highlight auf uns.
Auch hier in Amritsar durften wir die Tempelküche besuchen. Die Küche produziert am Tag zwischen 60000 – 80000 vegetarische Gerichte. Im Guru-Ka-Langer - dem Speisesaal, erhalten alle Menschen, ungeachtet ihrer Religion und Nationalität kostenlos eine Mahlzeit. Gegessen wird in langen Reihen sitzend auf dem Fußboden. Helfer verteilen das Essen und das Brot.
Nach einem kurzen Blick in den Speisesaal schauten wir uns die Tellerrückgabe an. Wahnsinn was da alles an Tellern gespült wurde und das schon am frühen Morgen. Weiter ging es zu riesigen Töpfen, in denen Milch kochte. Eine Etage tiefer schürten Männer das Feuer, auf dem die Töpfe brodelten. Funken flogen, wenn sie Holzscheite nachlegten. Oben standen wiederum andere Männer, die umrührten und aus der Milch Süßigkeiten herstellen.
In einer etwas moderneren Küche wurde mit Gas gekocht. Riesige Töpfe mit Gemüse oder Reis brodelten auf offenem Feuer vor sich hin, von Männern mit riesigen Kochlöffeln umgerührt. Überall herrschte ein geschäftiges Treiben und doch sahen wir nirgends Hektik.
In einer kleinen Bäckerei stand eine elektrische Brotmaschine, die von einem Mann bedient wurde. Etwas weiter formte eine andere Maschine aus dem Teig kleine Kugeln, die dann in einem weiteren Arbeitsgang platt gedrückt wurden. So entsteht das typisch indische Brot, das Naan, das gerade im Norden des Landes zu allem dazu gegessen wird. Auch hier arbeiteten die Menschen wieder freiwillig in der Küche mit. Sonst würde dieses perfekte Tempelsystem nicht funktionieren.
Überall schauten uns die Menschen freundlich und neugierig an und wir fühlten uns sehr wohl.
Auch unseren Füßen ging es in der warmen Küche besser, auch wenn wir ab und zu mal eine Erbse oder ein Kartoffelstück aus unseren Zehen befreien mussten.
Danach gingen wir wieder zum Tempel zurück und fotografierten noch ein wenig. Auch hier mussten wir immer wieder Hände schütteln, oder für ein Bild posieren, was wir auch gerne machten.

Als wir den Tempelkomplex verließen, versuchte Paul zusammen mit Uwe ein Permit für die Kamerastative zu bekommen, aber leider war niemand im Büro und die Zwei kehrten unverrichteter Dinge wieder zurück.

Gegen Mittag besuchten wir noch das Jallianwala Bagh Denkmal. Hier veranstalteten die Briten am 13. April 1919 ein Massaker. 150 Soldaten schossen 7 Minuten lang wahllos in eine Menschenmenge von 20000 Indern, die hier friedvoll für die Freilassung ihres festgenommenen Anführers demonstrierten. Es starben über 400 Menschen und 1000 Menschen wurden verwundet. Heute geht man durch eine gepflegte Parkanlage, in der eine ewige Flamme brennt, Einschusslöcher mahnend umrandet sind und ein überdachter Brunnen, in dem über 100 Menschen den Tod fanden, besichtigt werden kann.
Gerade als wir an der ewigen Flamme ankamen, fiel uns eine bunte Menschenmenge auf, darin ein Paar, das wunderschön und sehr gepflegt anzuschauen war. Das ist ganz sicher ein Hochzeitspaar, das sich vor der Flamme fotografieren ließ. Schnell zückte Chris die Kamera und reihte sich in die Fotografenriege ein. Das Paar freute sich und lächelte nett.
Ansonsten hatte der Park eine komische Atmosphäre, irgendwie bedrückend - besonders als wir vor den Einschusslöchern und dem Brunnen standen und an das Ausmaß dieses sinnlosen Gemetzels dachten.

Anschließend besuchten wir noch ein Shiva Fest mit einem Tempel. Paul ermahnte uns, zusammen zu bleiben und ruhig und gelassen aufzutreten, denn die meisten Leute würden mit Drogen ihren Horizont erweitern und können daher auch aggressiv sein.
Zuerst schlenderten wir über ein kleines Volksfest mit Riesenrad und ein paar anderen Fahrgeschäften. Danach gingen wir auf einer Straße, die von Verkaufsständen gesäumt wurde in Richtung Shiva Tempel vor. Unzählige Menschen waren unterwegs, die meisten davon gutgelaunt und in Feierstimmung. Überall konnte man Tempelblumen kaufen. Es gab unzählige Essensstände, aber auch Getränkestände fielen uns auf. Dort standen Gläser, die mit einer grünen Flüssigkeit gefüllt waren. Als Paul unsere fragenden Blicke sah, erklärte er, dass es sich hierbei um Marihuana Getränke handelt. Wir schauten wohl so dumm, dass uns die amüsierten Verkäufer sogar die Verkostung eines Drinks angeboten, was wir jedoch ‚ruhig und gelassen’ ablehnten. Musik erklang in den Gassen und an einer Stelle saßen sogar ‚heilige’ Männer mit ihren Kobras. Sie hatten wohl schon ein paar grüne Drinks intus, denn sie sahen etwas entrückt aus und spielten ungehemmt mit ihren Schlangen.
In den Tempel kamen wir leider nicht, es war einfach zu voll. Schon an der Schuhabgabe herrschte Chaos, so dass uns Paul bat, von einem Besuch des Tempels abzusehen. Wir warfen durch den Zaun einen Blick ins Innere der Anlage, aber auch hier war alles voll mit Menschen. So verzichteten wir auf eine ‚Barfuss-Tempelbesichtigung’ und gingen durch das bunte Treiben zurück zu unserem Auto. Wir sahen richtig, wie von Paul die Anspannung abfiel, als er uns wohlbehalten zum Auto zurückgebracht hatte. Für ihn war es ein ziemlich anstrengender Spaziergang, da er seinen Job sehr ernst nahm und wie ein Luchs auf uns aufpasste, doch für uns war es aufregend und exotisch anders.
Da uns in Delhi unser Reiseführer trotz mehrfacher Aufforderung nicht einmal in einen Supermarkt gebracht hatte, fragten wir Paul, ob es möglich wäre, in Amritsar einen Supermarkt zu besuchen. Natürlich war es für Paul und Bundy kein Problem und so landeten wir vor einem hypermodernen Supermarkt. Auch hier mussten wir durch eine Kontrolle und wurden durchsucht. Die Männer mussten auf ein kleines Podest und die Frauen in eine Art Umkleidekabine. Mit Scannern wurden wir wieder abgesucht und durften dann ins Innere des hochmodernen Supermarktes. Wow, war der riesig und die Auswahl gigantisch. Fast schon verzückt standen wir vor dem Saftregal und kauften erst einmal ein paar Mangodrinks ein. Hier fanden wir auch Bohnen für unsere Bohnensäcke (zum Fotografieren aus dem Auto), Gewürze für daheim, Wasser und alles was der moderne Tourist von heute so braucht.
Paul fragte uns, ob wir Hunger hätten und schon meldeten sich unsere Mägen zu Wort. Er ließ es sich nicht nehmen und lud uns zu gut gewürzten Hühnchenteilen im Supermarktbistro ein.
Bepackt mit diversen Tüten, satt und zufrieden, gingen wir zurück zum Auto, wo Bundy auf uns wartete.
Nach einem kurzen Stopp an einem Getränkeshop, an dem wir Bier (Kingfisher) für den Abend einkauften, ging es für eine kurze Pause direkt ins Hotel. Ich war so geschafft, dass ich mich kurz aufs Bett legte… Verschwommen tauchte Chris Gesicht über mir auf. Was ist denn los? Oh, ich musste wohl eingeschlafen sein. Es war kurz vor 16 Uhr und Bundy brachte uns zum Goldenen Tempel. Paul wollte später dazu kommen, denn wir hatten uns ja für den Abend die Übergabezeremonie des goldenen Buches vorgenommen.
Aber wir kannten uns ja schon sehr gut aus. Zuerst die Schuhe und Socken ausziehen und dann an der Schuhabgabe abgeben. Den Zettel gut verstauen, dann Hände und Füße waschen, den Tempelwächter freundlich anschauen und seine Frage nach Zigaretten verneinen, da Rauchen strengstens verboten ist. Auch Stative sind in der Tempelanlage nicht erlaubt! Ab ging es durch das Tor und der Blick auf den goldenen Tempel war frei. Wieder beeindruckte er uns gewaltig. Das Wetter hatte sich auch verbessert und so kam immer wieder die Sonne durch. Trotzdem war es sehr fußkalt und der Marmor durch den Regen spiegelglatt. Natürlich kam es, wie es kommen musste und es haute mich hin. Dabei verfing sich auch noch mein großer Zeh in einem Gitter am Boden und schrammte auf. Sofort eilte ein Mann herbei, aber auch Uwe und Chris sprangen auf mich zu und halfen mir auf.  Zum Glück war nichts weiter passiert und durch die Kälte der Füße dauerte es ziemlich lange bis der Zeh schmerzte.
Der Nachmittag verflog nur so mit Fotografieren und schon bald dämmerte es. Als es zu dunkel zum Fotografieren war, hieß es warten, denn um 20.30 Uhr wollte Paul kommen, um mit uns die Zeremonie des goldenen Buches zu besuchen.
Die Zeit zog sich dahin und ich kühlte immer mehr aus. So langsam fingen die Zähne an zu klappern. Hinzu kam, dass es noch mehr abgekühlt hatte und immer wieder leicht regnete. Wir setzten uns auf den kalten Marmorboden in einem Säulengang und beobachteten die Menschen, die immer noch zahlreich durch das Tempelgelände liefen. Da es immer kälter wurde, beschlossen wir noch etwas herumzulaufen, denn wir befürchteten schon, krank zu werden und das konnten wir am Anfang der Reise überhaupt nicht gebrauchen.
Als Paul kam, klapperten mir schon fast permanent die Zähne, so kalt war mir. Er führte uns ins Akal Takhat, den obersten religiösen Sitz der Sikhs. Dort lagen Teppiche und es war relativ warm. Alleine hätten wir uns nie in dieses heilige Gebäude getraut, aber es stand allen offen und dort hätten wir uns schon vorher aufwärmen können. Auch hier sitzt ein oberster Sikh und liest aus einer Kopie des Heiligen Buches. Der Sprechgesang klang richtig schön. Er wird über Lautsprecher im Gebäude übertragen und auf einem Monitor kann man auch auf Englisch mitlesen. Hier darf man sogar fotografieren.
Am Eingang des Gebäudes wurden von Tempelwächtern Süßigkeiten verteilt. Wir blieben relativ lange dort. Schauten uns dann draußen noch weitere Kopien des Heiligen Buches an, aus denen auch wieder Männer vorlasen. Die Lesung wird nicht unterbrochen, auch nicht wenn die Männer sich abwechseln und ein anderer aus dem Buch weiter liest.
Zurück im Akal Takhat konnten wir beobachten, wie das zweite Heilige Buch ins Bett gebracht wird. Mit einer Zeremonie und Singsang wurde es in ein Zimmer begleitet, in dem ein Holzbett mit bestickten Tüchern liegt. Dort wurde es unter die Decken gebettet und der Raum verschlossen. Etwas unheimlich war uns der Fanatismus der Leute. Sie quetschten sich zum Teil fast rücksichtslos an einem vorbei um einen Blick auf das Buch werfen zu können. Am liebsten hätten sie es angefasst. Sie wirkten völlig entrückt und wie in Trance.
Dann kam der eigentliche Höhepunkt des Abends. Paul lotste uns zum Zugang der Brücke des Goldenen Tempels, in dem ja tagsüber das Heilige Buch ist. Von dort wird es zurück zum Akal Takhat gebracht, wo es wiederum in ein verglastes Zimmer mit einem tollen Holzbett und wertvoll bestickten Decken geleitet wird.
Zuerst wurde jedoch die Sänfte vorbereitet, indem sie mit Blumen geschmückt und mit Decken bestückt wurde. Alles wiederum mit Singsang. Hier waren die Menschen noch entrückter. Sie sangen laut mit und wollten alle nahe der Sänfte sein. Das war mir fast zu viel. Dann ging es los. Die Sänfte wurde durch einige Tempelwächter über die Brücke zum Goldenen Tempel gebracht. Irgendwie fand Paul einen Weg uns durch die Massen bis zum Eingang des Tempels zu schleusen. War das ein Gedränge. Jeder wollte ein Bild machen und möglichst nah am Buch sein. Die Massen drückten und quetschten. Sie sangen laut mit und drückten noch intensiver. Es war fast schon beängstigend. Dann ging es zurück. Jeder wollte wieder der Erste sein und möglichst nah ans Buch kommen. So ging das Drängeln weiter, bis wir endlich wieder zurück über die Brücke beim Akal Takhat standen. Jetzt bekam ich auch wieder Luft, denn hier war mehr Platz und ich konnte mich etwas im Hintergrund halten. Dafür hatten wir Paul und die anderen beiden verloren. Wir warteten einfach und sahen wie das Buch ins Gebäude gebracht wurde. Ich war fast erleichtert, als die Zeremonie vorbei war.
Jetzt war auch beim Goldenen Tempel nichts mehr los, denn das Buch war ja nicht mehr dort. So konnten wir ohne lang anzustehen zusammen mit Paul, den wir wiedergefunden hatten, einmal durch den Goldenen Tempel gehen. Hier war immer noch einiges los, aus Kopien des Buches wurde weiter vorgelesen. Das Gold wirkte durch die Beleuchtung noch schillernder und auch der Tempel war von innen sehr eindrucksvoll. Es war schon ein tolles Gefühl, einmal durch diesen Tempel zu laufen. Wir gingen bis ganz nach oben auf die Dachterrasse  und schauten von dort das ganze Gelände an. Die Tempelanlage war ausgeleuchtet. Trotz der späten Stunde waren noch viele Menschen unterwegs. Einige schliefen auch in den Tempelgängen in Decken eingehüllt.
Um ca. 23.30 Uhr ging es endlich ins Hotel zurück. Meine Füße wurden langsam wieder warm und damit kehrte auch das Gefühl mit einem heftigen Brennen zurück.
Trotzdem war die Zeremonie sehr interessant gewesen und ich war froh, durchgehalten zu haben. So etwas sieht man nicht alle Tage, auch wenn man dafür kalte Füße bekommt.
Als kleines Nachtmahl gab es wieder einmal Chips und Bier. Wir waren noch immer aufgekratzt, lachten und scherzten. Dabei entstand auch mein erster Reisetitel “Barfuss durch Indien“, der zu diesem Zeitpunkt perfekt gepasst hätte.

Übernachtung: Hotel Ritz Plaza, Amritsar

Dienstag, 21.02.2012
5. Tag
Heute war ausschlafen angesagt, denn nach so einer Nachttour braucht der verwöhnte Tourist seinen Schönheitsschlaf. So klingelte der Wecker erst um 9 Uhr, diesmal in Form von Uwe, der uns mitteilt, dass Paul angerufen hatte und wir schon am Vormittag den Hindu Tempel besuchen würden, da er mittags geschlossen hätte.
Wir frühstückten schnell und schon ging es los. Bundy wartete bereits im Foyer auf uns und fuhr uns zum Durgiana Tempel - der als kleinere Kopie des Goldenen Tempels bezeichnet wird. Der Tempel ist wirklich sehr klein. Er liegt schön inmitten eines Sees und ein kurzer Steg führt zu ihm. Er ist auch bekannt durch seine wertvollen Silberarbeiten in den Türen. Im Inneren des Tempels wurden gerade Filmaufnahmen gemacht. Kinder in sehr hübscher Tracht tanzten zu lauter Musik. Draußen lief ein Hindu-Priester herum, der Chris immer wieder etwas zeigte. Misstrauisch lief Chris ihm hinterher und erwartete, dass der Mann Geld von ihm wollte, aber er war einfach nur nett und wollte uns stolz den Tempel zeigen.
Nach einer kurzen Mittagspause im Hotel besichtigten wir um 14.30 Uhr zusammen mit Paul ein Museum im ehemaligen Sommerpalast von Maharadscha Ranjit Singh, wo wir durch große Bilder und nachgestellte Szenen einen Einblick in sein Leben bekamen. Auch hier mussten wir wieder die Schuhe ausziehen, aber diesmal durften wir die Socken anlassen.
Der ehemalige Sommerpalast liegt in einem sehr schönen Parkgelände, wo auch andere sehr verfallene Gebäude stehen. Hier soll demnächst renoviert werden.
Nachdem wir uns ein paar schöne Tücher aus Kaschmir und Seide in einem kleinen Laden angeschaut hatten, fuhr uns Bundy am Spätnachmittag zur Wagah Border, die ca. 9 km von Amritsar entfernt ist.
Hier wird jeden Tag theatralisch die Grenzschließungszeremonie zwischen Pakistan und Indien durchgeführt. Dieses Schauspiel zieht bis zu 14000 Besucher an.
Paul lotste uns geschickt vom Parkplatz bis zum Einlass. Auch hier mussten sich wieder Frauen und Männer getrennt anstellen, denn wieder einmal wurden alle mehr oder weniger genau durchsucht. Die Männer mussten auf ein kleines Podest steigen und wurden von einem Grenzbeamten durchsucht und wir Frauen mussten wieder einmal in eine Art Umkleidekabine, wo uns eine Beamtin nach Waffen oder ähnlichem durchsuchte.
Dann wurde uns ein Platz auf der Touristentribüne zugewiesen. Die Grenzbeamten trugen eigentlich mehr eine Tracht als eine Uniform und hätten einen Preis im böse Gucken verdient. Immer wieder wurden Leute per Trillerpfeife in den richtigen Gang verwiesen, freie Platzwahl gibt es hier nicht. Es war wirklich sehr viel los.
Auf der Straße, zwischen den Grenzen, unterhalb der Tribüne, versammelten sich Mädchen und Frauen, die voller Eifer mit der indischen Fahne zur pakistanischen Grenze liefen und wieder zurück zu den nächsten wartenden Frauen. Was für ein Spektakel mit fast schon Volksfestcharakter. Es regnete sogar leicht, das störte die Menge jedoch wenig.
Dann versammelten sich die Soldaten. Mit strammem Exerzierschritt gingen sie auf die Grenz-Tore zu, dabei warfen sie zum Teil die Beine beim Stechschritt bis über den Kopf. Sehr eindrucksvoll war auch das Imponiergehabe zwischen den Soldaten und Kommandeuren, die Blicke waren echt zum Fürchten und zum Schmunzeln gleichzeitig. Zum Schluß wurden die Fahnen eingeholt und die Tore verschlossen. Alles in einer Art Duell mit den pakistanischen Grenzbeamten. Es war schon eine Show. Kurz bevor die Fahnen ganz eingeholt waren, machten wir uns auf den Rückweg. Paul wartete schon auf uns und geleitete uns zum Auto zurück.
Lange Lastwagenkolonnen standen hier an, um die Grenze zu passieren. Die Fahrzeuge brauchen dafür 3-4 Tage.

Nach der Grenze starteten wir noch einen weiteren Versuch, ein Permit für die Stative im Goldenen Tempel zu erhalten.
An einem kleinen Office versuchten Paul und Uwe ihr Glück. Leider kamen sie unverrichteter Dinge zurück.
Wir beschlossen wieder ins Hotel zu fahren, doch plötzlich öffnete sich die Tür und ein Sikh winkte uns zurück. Er bot den Männern an, mit Stativen ein paar Bilder von oben auf den Tempel hinab zu machen. 
Leider war es nur den Männern erlaubt auf das Dach des Gebäudes zu steigen, uns Frauen wurde es untersagt. Wir bekamen stattdessen Tee angeboten, den wir aber beleidigt ablehnten. Irgendwie kamen wir uns etwas diskriminiert vor. Trotzdem waren wir froh, dass wenigstens Uwe und Chris mitgehen durften.
Als die Männer kurz darauf zurückkamen, waren sie begeistert, denn von oben hatten sie einen tollen Blick auf die Tempelanlage.
Schon ging es zurück zum Hotel, denn der Tag war lang und unsere Mägen meldeten sich zu Wort.
Paul empfahl uns das Essen in unserem Hotel. War das gut! Wir aßen perfekt gewürztes indisches Hühnchen mit dem typischen indischen Brot – Naan mit Knoblauch.
Abends setzten wir uns noch zusammen aufs Zimmer, tranken ein Kingfisher Extra Strong und ließen den Abend gemütlich ausklingen.
Amritsar mit seinen freundlichen Menschen hatte uns voll in den Bann gezogen. Hier hätten wir es noch ein paar Tage aushalten können, doch schon morgen ging es mit dem Zug weiter in Richtung Haridwar.

Übernachtung: Hotel Ritz Plaza, Amritsar

Mittwoch, 22.02.2012
6. Tag

Nach einem schnellen Frühstück warteten um 6.30 Uhr Paul und Bundy schon im Foyer auf uns. Sie brachten uns zum Bahnhof und Paul setzte uns in den verspäteten Zug, der uns nach Haridwar bringen sollte. Wir hatten gleich die ersten Plätze im Abteil. Sie waren mit rotbraunem Leder bezogen und schon deutlich in die Jahre gekommen. Dafür gab es große Panoramafenster, so dass uns auf der Zugfahrt nicht langweilig wurde. Dumm war nur, dass wir direkt an der Tür saßen, denn ständig lief jemand raus oder rein und so zog es ohne Unterlass, außerdem waren die Außentüren am Zug meistens offen.
In den frühen Morgenstunden hing Nebel tief über der Landschaft. Das sah so richtig klasse aus. Als die Sonne heraus kam, färbte sie den Nebel orangegolden. So lag er über der Landschaft wie ein Seidentuch, das sich leicht im Wind bewegt.
Langsam stieg der Nebel auf, so dass man eine Zeitlang fast nichts mehr erkennen konnte. Dann löste sich der Nebel auf und Getreidefelder, Dörfer, Straßen, Bäume und Sträucher flogen an uns vorbei. In den Dörfern sah man immer wieder kleine Moscheen und Menschen, die fleißig arbeiteten, Wäsche wuschen oder der Feldarbeit nachgingen. Besonders interessant waren die Bahnhöfe, die vollgestopft mit Menschen waren, die standen oder saßen, Zeitung lasen oder frühstückten, schliefen oder in der Gegend herumschauten. Das warme Morgenlicht spiegelte sich in ihren Gesichtern, so dass wir mehr als einmal gerne einen Fotostopp gemacht hätten, aber leider sah das der Lokführer anders und schon brausten wir weiter.
Nach ca. 6 Stunden näherten wir uns unserem Ziel Haridwar, eine Stadt im Bundesstaat Uttarakhand, die direkt am heiligen Fluss Ganges liegt. Der Ort zählt zu den sieben heiligen Städten des Hinduismus und wird von zahlreichen Pilgern besucht. Das Hauptziel der Pilger ist der Hari-ki-Pauri, wo nach Vorstellung der Gläubigen die himmlischen Wasser in den Ganges fließen. Ein Tempel soll den Fußabdruck Vishnus enthalten.
Gegen 14 Uhr kamen wir im Bahnhof von Haridwar an, wo uns unsere Reiseleiterin Manju auch wieder an der Waggontür in Empfang nahm. Zuerst schauten wir etwas irritiert, denn mit einer Frau als Reiseleiterin hätten wir in Indien nicht gerechnet. Wir merkten jedoch schnell, wie kompetent sie ist. Sie schnappte sich sofort einen Koffer und lotste uns geschickt durch die Massen über eine Fußgängerbrücke zum Ausgang.
Unser Fahrer verstaute die Koffer und schon waren wir unterwegs zum Hotel ‚Country Inn and Suites'. Das Hotel lag etwas außerhalb der Stadt und sah von außen schon etwas in die Jahre gekommen aus, aber innen war es richtig schick. Besonders die Zimmer gefielen uns auf Anhieb. Sie waren etwas moderner eingerichtet, mit schönen Farben gestaltet und hübschen Möbeln ausgestattet. Es gab sogar einen begehbaren Kleiderschrank.

Wir machten uns kurz frisch und waren 45 Minuten später schon wieder unterwegs in die Stadt. Manju führte uns über den lokalen Markt durch enge Gassen. Überall waren Essstände aufgebaut. Herzförmige Kartoffel-Mais-Puffer brodelten im heißen Fett und auch andere Köstlichkeiten lockten verführerisch. An einem Obst- und Gemüsestand holten wir uns ein paar Bananen und frische Mandarinen und stillten damit etwas unseren Hunger. An die Essstände trauten wir uns einfach nicht heran. Aufmerksam wie Manju war, merkte sie es sofort und holte immer wieder von verschiedenen Ständen etwas zum Kosten. Da waren ein paar echt leckere Sachen dabei, besonders die herzhaften Naschereien. Die Süßigkeiten waren uns einfach zu süß, so dass es einem den Mund beim Kosten schon zusammenzog. Die Inder lieben Süßigkeiten und nicht umsonst ist Indien eines der Länder mit der höchsten Diabetesrate.
Aber auch allerhand Kitsch, Glitzer und Glimmer funkelte uns an den Ständen entgegen. Blumengirlanden für Hochzeitspaare oder blumengeschmückte ‚Teelicht-Schiffchen' für den Ganges - immer wieder gab es Neues zu entdecken.
In einer Seitengasse führte uns Manju zu einem kleinen Platz, wo zig heilige Kühe standen. Hier wird die Asche Verstorbener noch einmal verbrannt und gesegnet, damit die Seele der Verstorbenen frei wird. Dem Träger der Asche wird der Kopf geschoren und die Namen all derer, die an der Zeremonie teilnehmen kommen in ein Buch. Am Abend wird dann die Asche feierlich dem Ganges übergeben.

Am späten Nachmittag begaben wir uns langsam zum Hari-ki-Pauri-Gath. Hier findet jeden Abend eine heilige Zeremonie (Aarti) statt. Manju führte uns über eine Brücke auf die andere Seite des Ganges. Leider durften wir nicht auf der Brücke bleiben, obwohl sich Manju bemüht hatte, eine Sondererlaubnis zu bekommen. So reihten wir uns in die Wartenden auf der anderen Flussseite ein. Unser Fahrer brachte uns noch die Stative, denn die Zeremonie begann erst mit der Dämmerung. So bauten wir auf und boten damit wieder einmal ein nettes Fotomotiv für die Menschen. Es war schon lustig, was sie alles anstellten, um uns zu fotografieren. Einige fragten nett, andere waren dreist und machten einfach Bilder und wieder ein anderer trug die Kamera auf Hüfthöhe und drehte gleich einen Film. Jedenfalls lief er mehrmals absolut ‚unauffällig‘ an uns vorbei. Das ganze Spektakel war natürlich auch ein Geschäft. So verkauften Kinder Sitzfolien und boten uns immer wieder Stempel für die Hände an. Andere verkauften Blumenschiffchen. Leider mussten wir immer weiter nach hinten rücken, denn zig Gäste setzten sich vor uns auf den Boden um der Zeremonie zu folgen.
Mit der Dämmerung setzten immer mehr Leute ihre Blumenschiffchen ins Wasser. Durch das Teelicht in der Mitte leuchtete das Schiffchen wunderschön und spiegelte sich im Ganges.
Dann begann die Zeremonie. Auf der gegenüberliegenden Uferseite des Ganges schwenkten Priester brennende Kerzenleuchter und sangen dazu, die Massen stimmten mit ein. Es hörte sich wunderschön an und eine angenehme Stimmung lag über dem Ganges. Außer uns waren nicht allzu viele Touristen da, die meisten Menschen waren Pilger oder Einheimische.
Nach der Zeremonie, die ca. 30 Minuten dauerte, schlenderten wir zum Auto zurück und unser Fahrer brachte uns ins Hotel. Hier aßen wir sehr gut, nur Alkohol bekamen wir nicht im Restaurant, sondern nur auf dem Zimmer. In den heiligen Städten ist Alkohol nämlich verboten doch da unser Hotel etwas außerhalb Haridwars lag, durften wir zumindest auf dem Zimmer Bier konsumieren.
Mit Manju hatten wir ausgemacht, dass sie uns am nächsten Morgen ihre Heimatstadt Rishikesh zeigt, die berühmt ist für ihre Ashrams und Tempel und nicht umsonst als ‚Yoga Capital of the World‘ bezeichnet wird. Hier meditierten in den 60er Jahren die Beatles und ein paar andere bekannte Sänger, wie Mike Love von den Beach Boys. Wir waren gespannt.

Übernachtung: Country Inn & Suites By Carlson, Haridwar

Donnerstag, 23.02.2012
7. Tag

Wir frühstückten ausgiebig im Hotel-Restaurant. Gegen 9 Uhr holte uns unserer Fahrer ab und wir fuhren nach Rishikesh.
Der Ort ist ebenfalls eine Pilgerstadt. Er liegt am Fuße des Himalayas und wird vom heiligen Ganges durchzogen. Das Wasser des Ganges ist hier noch klar und sauber. Hier kommt der Fluss direkt aus den Bergen, fließt durch die Ebenen Nordindiens bis zum Golf von Bengalen.
Die zwei Flussseiten werden durch zwei Fußgängerhängebrücken miteinander verbunden, der Shivanand Jhula und der etwas weiter nördlich gelegenen Lakshman Jhula.
Auf unserem Weg in die Stadt hielten wir noch an einem kleinen Straßenstand. Hier gibt es die beste Lassi der Welt, erklärte uns Manju und Menschen aus der ganzen Umgebung kommen extra zu diesem Stand. Eine Lassi ist ein joghurtartiges Getränk, das süß oder salzig angeboten wird. Der Standbesitzer holte ein Glas aus dem Kühlschrank in dem eine dicke weiße Masse war. Obendrauf lagen hübsch angeordnet Mandelstifte. Irgendwie wirkte es so gar nicht lecker auf mich, aber ich überwand mich und kostete die Masse. Als das kühle köstliche Getränk auf meine Geschmacksnerven traf, dachte ich nur „WOW“. So etwas Gutes hatte ich lange nicht mehr getrunken. Die anderen, die sich anfangs auch etwas zierten waren schnell überzeugt und genauso begeistert wie ich. Wir tranken noch einige Lassis im Laufe der Reise, aber diese hier in Rishikesh war für mich mit Abstand die Beste von allen.
Danach fuhren wir zu einem Ashram, einem klosterähnlichen Meditationszentrum, dem Samadhi Shrine. Hierher bringt Manju auch ihre Kinder zum Meditieren. In dem Komplex wurde gerade eine Meditationsstunde abgehalten, wo ein Yogi in der Mitte saß und Schüler im Kreis um ihn herum. Hier gibt es mehrere unterschiedliche Gebäude. Dreimal täglich stellt die Ashramküche kostenlos Essen für die Armen und Besucher zur Verfügung. Manju brachte uns eine Portion Reis mit Gemüse und einen süßen Nachtisch aus Bananen und Nüssen. Das schmeckte wirklich gut und wir konnten endlich einmal mit den Händen essen.

Nach dem Besuch des Ashrams gingen wir durch den lokalen Markt, wieder mit vielen Essständen, Gewürzen, Blumenläden, Stoffgeschäften und vielem mehr. Die Leute waren auch wieder recht freundlich und wir durften sie sehr oft auch fotografieren.
Ein Yogazentrum besichtigten wir auch noch. Direkt bei der Rezeption hing ein Plakat mit Yogaübungen aus, bei deren Anblick uns schon der Schweiß ausbrach. Sehr leise liefen wir durch das Zentrum, in dessen Mitte der kreisrunde Yoga-Raum liegt und außen die Zimmer der Schüler. Eine Yogaklasse war gerade bei der Entspannung, es war schon irgendwie witzig als ein melodisches Om zum Abschluss der Stunde erklang und zwei junge Europäerinnen mit ihrem Lehrer den Raum verließen. Ein Ort der Ruhe und Harmonie im Einklang von Körper und Geist lag hier greifbar vor uns. Sehr leise gingen wir wieder nach draußen.
Wir machten noch einen kurzen Stopp bei unserer Agentur, wo Uwe noch einmal unsere Zugfahrt von Agra nach Varanasi abklärte, da auf dem Ticket die Abfahrtszeit von Jaipur stand und nicht von Agra. Doch alles passte.

Nun spazierten wir etwas am Ganges entlang bis zur ersten Hängebrücke, der Lakshman Jhula. Hier hatten wir eine tolle Aussicht auf den Ganges und einen zwölfstöckigen Tempel am anderen Ufer. Auf unserer Uferseite war ein hübsches Kaffee mit Blick auf die Brücke und den Fluss. Wir überquerten die Brücke, die von Rhesusäffchen belagert wurde, die nur auf eine Gelegenheit warteten einen unvorsichtigen oder ängstlichen Touristen zu beklauen. Es kam natürlich wie es kommen musste und schon bald saß ein Äffchen mit zwei kleinen Saft-Tetrapacks auf den Drahtseilen der Brücke und ließ es sich schmecken. Die Brücke war sehr eng und so quetschten sich Passanten und Mopeds aneinander vorbei. Das Hupen war wieder allgegenwärtig, aber ausweichen konnte man nicht wirklich. Auf dem Ganges kamen uns Raftingboote mit ‚raftinghungrigen‘ Touristen entgegen.
Wir wanderten am sandigen Ufer des Ganges entlang, die Sonne knallte auf uns herab, es war warm und das Wasser lud zum Baden ein, doch dazu war leider überhaupt keine Zeit. So betrachteten wir neidvoll die Raftingboote - gefüllt mit ausgelassenen Touristen, denen der Spaß ins Gesicht geschrieben stand. 
An einem langen Sandstrand landeten die Boote an und für die Touristen war Mittagspause angesagt. Einige waren schon fertig mit dem Essen, andere aßen noch, oder tollten im Sand herum. Das Essensgeschirr wurde mit Sand gereinigt und blitzte in der Sonne. Ich ließ mich in den Sand fallen, sah dem Treiben zu und genoss die Wärme.
Als wir weiter gingen, kamen immer wieder kleine Buchten, wir kletterten über Steine, sahen Menschen bei der Meditation, auch die ‚Wohnungen’ einiger Asketen am Strand fielen uns auf, denn sie bestanden nur aus ein paar Tüchern auf den Felsen.

Häuser säumten den Blick auf den Ganges, diese werden zum Teil an die vielen Meditationssüchtigen und Yogalehrlinge vermietet, denn manche Menschen kommen monatelang hierher, um sich selbst zu finden oder abzuschalten. Ein paar eigenartige Gestalten fielen uns auch auf. Europäer in Saris und entrücktem Gesichtsausdruck, ein paar davon waren wohl schon etwas zu lange hier und völlig abgedriftet. Aber jedem das Seine!
Zurück im Ort, den wir über einen schönen Weg mit Blick auf den Ganges erreichten, kamen wir an die zweite Hängebrücke, die Shivanand Jhula, die wir jedoch nicht überquerten. Wir hielten an einem kleinen Platz mit Blick auf die Brücke. Hier standen etliche Ohrenputzer und warteten auf Kundschaft. Die Männer waren sehr gut an den dicken Watte-Tupfern hinter ihren Ohren zu erkennen und boten uns immer wieder ihre Dienste an. Lächelnd lehnten wir ab, obwohl es vielleicht bei dem einen oder anderen von uns nötig gewesen wäre.
Unzählige Äffchen und auch heilige Kühe belagerten den kleinen Platz. Hier wurde sogar Affenfutter verkauft. Der Platz ging in Ghats über, an denen wir später entlangliefen, aber zuerst besuchten wir das von Manju vielgepriesene Cafe und tranken einen riesigen Cappuccino. Der war so gut, dass ich mich zusammenreißen musste, um nicht laut zu schnurren, denn ich war ja völlig auf Kaffeeentzug, da der Instant-Kaffee für mich absolut ungenießbar war. 
Danach baten wir Manju uns in ein Tuchgeschäft zu führen. Chris verdrehte zwar die Augen, aber wir wollten uns unbedingt durch Seiden und Kaschmirtücher wühlen. Natürlich fand ich zwei tolle weiche Stofftücher, die nach einigem Handeln in meinen Besitz übergingen. Chris blieb zwar lieber draußen vor dem Geschäft sitzen, aber Uwe leistete uns Gesellschaft und handelte den Preis für die Schals aus. In dem Geschäft hatte ich noch eine Begegnung der besonderen Art. Zwei völlig entrückte in weiß eingekleidete deutsche Frauen, die wohl schon einige Zeit hier lebten, waren mit uns in dem Geschäft und schauten sich um. Als ich gerade ein Tuch vor dem Spiegel probierte, sprach mich die eine Frau an und meinte, ob wir nicht merken, dass wir mit den Kameras ein sehr aggressives Karma versprühen. Das ganze kam in einem sanften Singsang, der vor Meditation nur so triefte. Ich sah sie absolut verblüfft an und stammelte irgendwas von wegen: ‚Nein, wir haben nicht das Gefühl’…
Dumm ist nur, dass einem in solchen Situationen immer erst hinterher die coolen Sprüche einfallen, aber vielleicht war es auch besser so. Sie entfernten sich und ich schaute immer noch etwas dümmlich aus dem Seidentuch, das ich mir über die Schultern geworfen hatte.
Wieder auf der Straße durchquerten wir noch ein paar Gassen. Vor zwei Restaurants saß jeweils ein glatzköpfiger dicker Inder auf einem riesigen Hochstuhl, der ein buntbemaltes Gesicht hatte und für das Restaurant warb. Er ließ sich von den Leuten anschauen bzw. fotografieren. Kurz darauf begegneten wir einem Mädchen, das sich von einem Mann die Hände mit Henna bemalen ließ. Was für eine filigrane Arbeit. Manju erklärte uns, dass solche Arbeiten in Indien immer von Männern gemacht werden.
Die Sonne stand mittlerweile tief am Himmel und beleuchtete mit ihrem warmen Licht die Ghats, an denen wir nun entlangschlenderten. Kinder versuchten den Touristen selbstgemalte Zeichnungen zu verkaufen, aber dermaßen charmant, dass immer wieder Passanten hielten und ihnen etwas zusteckten. Manju erzählte uns von einem kleinen Jungen, der täglich mit seiner liebenswerten Art ein paar T-Shirts erbettelt, aber immer wieder in den zerschlissenen Gewändern herumläuft, während sich in seinem Schrank die Kleidung stapeln müsste. Viele Touristen kaufen den Kindern auch etwas zu essen oder laden die Kleinen gleich in ein Restaurant ein.
Schließlich landeten wir bei einer Puja im Stadtteil Swargh Ashram. Puja bedeutet ‚Verehrung‘ und ist ein möglichst täglich praktiziertes Ritual im Hinduismus sowie Buddhismus.
Diese Puja war mit einer Hochzeit kombiniert. Das Paar saß in einem Pavillon am Fluss und wurde auf traditionelle Art und Weise verheiratet. Dazu wurde immer wieder laut gebetet und gesungen. Dann erklang aus riesigen Lautsprechern Harikrishna-Musik und ein sehr charismatischer Harikrishna Guru (Swami Chidanand Saraswati) mit seinem Gefolge nahm auf den Stufen Platz. Das Hochzeitspaar setzte sich in die Nähe des Gurus und ein lauter Harikrishna-Singsang begann. Das Ganze hatte schon etwas Sektenähnliches an sich und wirkte auf uns eher abstoßend als einladend. Fasziniert waren wir aber schon, denn der Guru und seine Helferin waren absolut entrückt und auch die anderen Menschen wiegten sich im Singsang. Sie öffneten nicht einmal die Augen und gaben sich ganz der Musik hin. Zum Abschluss der Zeremonie wurden Kerzenständer geschwenkt und durch die Reihen gereicht, so dass jeder einmal anfassen konnte. Danach zog sich der Guru zurück. Wir hatten kurz einen Einblick in eine ganz andere Welt und Lebensweise bekommen, die zwar nicht unsere war, aber auf ihre Art sicherlich sehr faszinierend sein kann. Aber auch finanziell ist sie sicherlich sehr motivierend, denn der Guru wohnt in Dubai und kommt nur ab und zu, zu besonderen Anlässen nach Indien geflogen.
Das Licht der Dämmerung lag über dem Ganges und eine riesige Shiva-Statue wurde vom letzten Licht angeleuchtet, bevor die Nacht über Rishikesh einbrach.
Über die eine Hängebrücke bahnten wir uns unseren Weg zurück in die Stadt zu unserem Fahrer. Auf der Brücke waren immer noch Menschenmassen unterwegs, Fahrräder klingelten und Mopeds schoben sich laut hupend an uns vorbei. Es war immer noch warm, aber langsam kühlte es ab. Wir verabschiedeten uns von Manjub und bedankten uns bei ihr für die interessante Zeit und den Einblick in ihre Welt.
Im Hotel aßen wir noch sehr gut, wobei mir besonders ein Hühnchengericht in Erinnerung geblieben ist, das zwar sehr scharf, aber auch sehr köstlich war.

Übernachtung: Country Inn & Suites By Carlson, Haridwar

Freitag, 24.02.2012
8. Tag

Nach einem zeitigen Frühstück packten wir unsere Habseligkeiten in das Auto, denn die nächste Etappe unserer Reise legten wir mit einem mehr oder weniger geräumigen Toyota Innova zurück. Dazu war einiges an Geschick nötig, denn der Wagen hatte zwar hinten zwei Sitzreihen, aber dafür fast keinen Kofferraum. So wanderten unsere Reisetaschen auf das Autodach und wurden mit einem Seil fixiert. Ein Sitz wurde umgelegt und dahinter unsere Koffer gestapelt. Der restliche Platz wurde durch unsere Fotorucksäcke vereinnahmt, so dass derjenige, der hinten saß, nur ein Fenster zum Rausschauen hatte und dieses natürlich nicht öffnen konnte. Da Chris filmen wollte, setzte er sich nach vorne, gefolgt von Uwe und Kerstin, die die Sitzreihe hinter dem Fahrer einnahmen und im ‚Hasenstall’, wie ich den hinteren Platz bezeichnete, saß ich. So ging es gut verpackt und verschnürt um 7.30 Uhr los. Für die knapp 200 Kilometer lange Fahrt waren 5 Stunden eingeplant.
Unser Fahrer war sehr umsichtig und holte für die Fahrt an einem Straßenstand Bananen und Mandarinen. Jeder bekam ein Wasser und weiter ging es. Der Fahrer sprach zwar fast kein Englisch, aber er war total nett und bemüht. Er fuhr sehr vorsichtig, was bei der Strecke auch angebracht war, denn schon bald war es eine wilde Piste aus Schlaglöchern und sehr viel Verkehr. Wasserbüffelgespanne schleppten voll beladene Anhänger mit Sand, Kies und Steinen. An ihren Muskeln sah man, wie schwer die Fuhre war. Doch sie trotteten langsam aber stetig dahin. Übervolle LKWs kamen uns entgegen, Mopeds mit mindestens drei Menschen fuhren an uns vorbei, wir überholten Fahrräder, die mit riesigen Lasten beladen waren. Mittendrin liefen Menschen und immer wieder war das Hupen allgegenwärtig.
Besonders von den LKWs wurde man sogar zum Hupen aufgefordert. Entweder kündigte uns unser Fahrer an, schickte per Hupe Passanten auf die Seite oder wir wurden angehupt. Hier auf der Straße galt das Recht des Stärkeren und so kam es schon mal vor, dass wir von unserer Straßenseite auf die Seitenränder ausweichen mussten weil uns ein LKW entgegen kam, der einem Schlagloch ausweichen wollte. Besonders beeindruckend fanden wir die Beladung der LKWs, denn oftmals war der Hänger nach oben offen und die Ladung wurde zum Teil über den gesamten LKW noch einmal in der Breite des Anhängers erweitert - nur mit einer Plane gesichert. Die Achse hing durch und es war sicherlich nur eine Frage der Zeit, wann sie brechen würde, so überladen waren manche Trucks. Doch diese bunt bemalten und hübsch dekorierten Ungetüme waren einfach Giganten denen man Respekt zollen musste. Auch die Busse waren recht eindrucksvoll, besonders wenn sie bis zum Dach mit Menschen gefüllt waren und der beste Platz in der offenen Tür zu sein schien. Dort drinnen war es sicher mollig warm, aber dafür wurde jeder Millimeter genutzt. Auch übervolle Tuk Tuks waren einen Blick wert. Wir zählten zum Teil bis zu 14 Menschen, die sich in dieses Gefährt gezwängt hatten.
Ein Ort reihte sich an den anderen. In den Orten war es besonders voll. Menschen gingen ihren täglichen Geschäften nach, Straßenstände boten Obst und Gemüse an, Kleidung wurde verkauft sowie Dinge des täglichen Lebens. Überall wuselte es und wir kamen fast nicht vorwärts. Affen belagerten die Straßen. Müll lag überall herum, in dem Schweine wühlten oder Hunde nach Fressbarem suchten. Als wir in ländlichere Gebiete kamen, zogen Zuckerrohrfelder an uns vorbei, Frauen türmten geformte Kuhfladen zu einem großen Kegel auf, ein zerlumptes Kind saß am Straßenrand und aß irgendetwas. An den Mauern und Häuserwänden forderten UNICEF Plakate die Leute auf, zur kostenlosen Polio-Schluckimpfung der Babys zu kommen.
So ging es immer weiter und immer wieder gab es etwas Neues, Interessantes zu entdecken. Als wir an einem Bahnübergang standen, konnten wir beobachten, wie ein Fahrrad beladen wurde. Dabei wurden zuerst 4 große Pakete aufgetürmt und danach folgten 6 riesige gefüllte Säcke. Alles wurde ordentlich verzurrt und schon konnte der ‚Schwerlasttransporter’ weiter ziehen.
Die Bahnübergänge waren ja sowieso schon eine Show an sich. Auf jeder Seite wurden die Straßen zugestellt, dabei blieb keine Lücke. Immer wieder schob sich ein Fahrradfahrer oder eine Rikscha irgendwo dazwischen, in die kleinste Lücke passte noch ein Gemüsewagen und mittendrin standen wir. Als die Schranken wieder hoch gingen dauerte es dementsprechend lange, bis sich der Verkehr wieder entzerrt hatte und es weiter gehen konnte. Was für ein Chaos. Als wir an einem Bahnübergang nicht schnell genug auf die andere Seite kamen, gingen die Schranken schon wieder runter. Doch vor uns ging es nicht weiter. Unser Fahrer begann zu drängeln und gerade als die Schranke unseren Taschen auf dem Dach bedenklich nahe kam, ging wieder ein wenig und wir waren gerettet. Erleichtert atmeten wir aus. So wurde uns der Weg nicht langweilig.
Mittags kamen wir nach ca. 4-stündiger Fahrt in unserer nächsten Übernachtung, dem Tiger Camp in Ramnagar an.
Im Tiger Camp mussten wir uns erst einmal durch eine sehr ausführliche Anmeldung kämpfen. Das übernahmen Uwe und ich, während die anderen Zwei die Unterkünfte inspizierten. Wir hatten nämlich freie Auswahl. Kerstin und Chris entschieden sich für ein Zimmer im ersten Stock. Hier hatten wir freie Sicht in die Baumwipfel. Der Bungalow war sehr groß und hübsch eingerichtet. Wir fühlten uns gleich wohl. Nachdem wir uns etwas eingerichtet hatten, inspizierten wir die Gartenanlage  und die restlichen Bungalows. Viele der Häuser wurden gerade renoviert.
Sehr nett im Garten lag das Restaurant. Wir überlegten gerade, ob wir etwas zum Mittag essen sollen, da kamen Chris und Uwe von der Rezeption zurück. Sie hatten für den Nachmittag eine Jeepfahrt in den abgelegenen südlichen Teil des Parks organisiert. Dort sollte es zwar nicht so viele Tiger geben, aber wir wollten unbedingt raus in die Natur und weg von dem ständigen Hupen. So verzichteten wir gerne aufs Essen und sprangen voller Vorfreude auf den bereitgestellten Jeep. Mit unserer ganzen Ausrüstung mussten wir zu viert ziemlich zusammenrücken, aber irgendwie schafften wir es.
Zu dem Parkeingang mussten wir etwas weiter fahren und so ging es im offenen Jeep durch ein paar Dörfer und am Ramganga Fluss entlang. Der Wind wehte uns durch die Haare und ich funktionierte mein Halstuch kurzerhand in ein Kopftuch um, denn sonst käme ich nach der Tour nie mehr durch meine Haare. Am Parkeingang wurde es dann richtig interessant, aber nicht wegen der Tiere sondern wegen dem feinen Staub, der sich wie eine zweite Haut auf uns und unsere Ausrüstung legte.
Wir sahen Würgefeigen in den Salbäumen, eine unbewohnte Bärenhöhle am Wegesrand und sogar ein paar Tigerspuren. Doch Tiere wollten sich kaum blicken lassen. Zumindest ein paar Axishirsche hatten Mitleid mit uns und zeigten sich. Auf einem Rastplatz beobachteten wir Rhesusäffchen, die indischen Touristen Chips Tüten geklaut hatten und deren Jeeps belagerten. Es war schon nett anzuschauen, wie sie sogar die Tüten ausschleckten und sich im Silberpapier spiegelten. Leider waren unser Fahrer und der Guide sehr mufflig, sie sagten kaum etwas und erklärten uns so gut wie nichts. Wenigstens staubten sie am Ende der Jeeptour unsere Taschen mit einem Tuch ab, so dass nur noch wir mit feinem Staub überzogen waren.

Abends gab es in der Lodge ein sehr leckeres Buffet, bei dem wir den anstrengenden Tag ausklingen ließen. Wir freuten uns auf morgen, wenn es tief in den Corbett Nationalpark gehen würde.

Übernachtung: Tiger Camp, Jim Corbett Nationalpark

Samstag, 25. - Montag 27.02.2012
9. - 10. Tag

Der Corbett Nationalpark war für uns ein besonderer Park, zumal er der erste indische Nationalpark auf unserer Reise war. Der Park ist ca. 520 Quadratkilometer groß und bildet zusammen mit dem angrenzenden Sonanadi-Schutzgebiet das Corbett-Tiger-Reserve, das 1973 zum Schutz der Tiger gegründet wurde. Er besteht aus einem grünen, dicht bewachsenen Wald, der von einer Handvoll Straßen durchzogen wird, undurchdringbarem hügeligen Dickicht, breiten wilden Flusstälern mit riesigen Felsen, weiten Grasflächen und einer enormen Artenvielfalt. Der größte Fluss des Parks ist der Ramganga, der im Westen des Parks in einen großen See mündet. Die meisten Bäume sind riesige Salbäume, die sich zu dichten Wäldern entwickelt haben.
Hier kann man wilde asiatische Elefanten beobachten, von denen es ca. 700 Tiere im Park geben soll. Mit Glück trifft man auf einen der ca. 250 Tiger oder 100 Leoparden. Axishirsche, Sambarhirsche und Wildschweine durchstreifen das Dickicht; Schakale und Füchse gehen auf Futtersuche und unzählige Vögel zwitschern in den Bäumen. Aber auch Lippen- und Kragenbären kann man mit viel Glück beobachten, wie auch die seltenen Rothunde.
Der Park ist während der Monsunzeit vom 15. Juni bis 15. November geschlossen, denn einige der Straßen führen durch Flussbette und sind dann nicht mehr passierbar.
Im Park gibt es das Dhikala Forest Rest Camp. Es ist ein einfaches Camp, in dem Touristen übernachten können und das für die nächsten zwei Nächte unser Zuhause war.
Unser Zimmer war recht schön mit Blick auf den Fluss, als ich mich jedoch auf das Bett fallen ließ, sprang ich gleich wieder auf. Die Matratze gab keinen Millimeter nach, so hart war es. Oh je, wie sollten wir dort denn eine Nacht überstehen? Die Bettwäsche war auch nicht gerade sauber, aber dort wird bestimmt noch traditionell im Fluss gewaschen und der allgegenwärtige Staub trägt sein Quäntchen zur schmuddeligen Bettwäsche bei. Doch wir waren ja nicht zur Erholung da, sondern wollten Tiger sehen. So richteten wir uns schnell ein wenig ein und erkundeten dann das Camp.
Junge Rhesusäffchen balgten sich auf der Wiese vor unserem Bungalow, grüne Papageien flogen über uns und belagerten die Bäume. Es war schön hier und die Aussicht auf den Fluss einfach herrlich. Um die Mittagszeit war es auch richtig warm. In der Kantine des Camps gab es Mittagessen. In einer offenen Küche bereiteten fleißige Helfer das Essen zu. Die Speisen waren rein vegetarisch, aber sehr schmackhaft, so dass wir jedes Essen in sehr guter Erinnerung haben. Doch das Beste war der typisch indische Tee, der Chai Masala, der aus Gewürzen und schwarzem Tee frisch zubereitet wurde. Dieser Tee wurde auf der restlichen Reise mein ständiger Begleiter.

Die Fahrt zum Dhikala Camp war sehr schön und wir konnten uns einen ersten Eindruck von diesem dicht bewachsenen Park machen. Die Bäume waren so hoch und die Büsche so dicht, dass wir nur mit Mühe und sehr guten Augen ein paar Hirsche im Dickicht ausmachen konnten. An jedem Flussbett reckten wir die Hälse, aber kein Tiger ließ sich blicken. Dafür konnten wir ein paar Lemuren an einem Rastplatz beobachten und von weitem einen Blick auf die typischen indischen Krokodile mit ihrer langen schmalen Schnauze werfen, die faul am Ufer des Flusses lagen.
Auf dem Nachmittagsgamedrive bekamen wir einen Naturführer zugeteilt, der vorne neben dem Fahrer saß und sehr aufmerksam die Umgebung musterte. Er kannte den Park sehr gut und wusste genau, wo sich Tiger aufhalten. An einer markanten Stelle warteten wir sehr lange und lauschten den Geräuschen des Busches. Zuvor hatten Axishirsche in der Nähe Warnrufe abgegeben. Unser Führer meinte, dass hier ein Tiger im Gebüsch sei, aber so richtig glaubten wir ihm nicht, denn wir konnten so gar nichts tigertypisches ausmachen. Kein Knacken der Zweige, keine verräterischen Laute, rein gar nichts drang zu uns durch.
Der erste Jeep mit Kerstin und Uwe fuhr langsam weiter und unser Fahrer wollte sich anschließen, da hob der Naturführer die Hand und lauschte angestrengt mit gerunzelter Stirn in das Dickicht. Wir saßen wie gebannt auf dem Jeep und wagten kaum zu atmen. Sollten wir wirklich das Glück haben, hier diese seltene Katze zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen? Doch es tat sich nichts. Der Führer gab dem Fahrer gerade das Zeichen weiter zu fahren, als wie aus dem Nichts ein Tiger auf den Weg sprang, uns einen kurzen Blick zuwarf und die Straße entlang ging, als ob es das Natürlichste der Welt wäre. Noch ehe wir unsere staunenden Münder wieder schließen konnten, brach die Hölle los. Unser Fahrer wendete rasant und wir wurden schnell in die Realität zurückgeschleudert. Nebenbei gab der Führer einen Ruf ab, der den anderen Fahrzeugen signalisierte, dass hier ein Tiger sei.
Unser Fahrer raste los, als ob der Teufel hinter ihm her sei. Als wir etwas näher an der Tigerin dran waren, hielt er abrupt an, so dass wir leicht nach vorne kippten, denn mittlerweile standen wir im Auto mit den Kameras im Anschlag und wollten unbedingt ein Bild von der Tigerin machen. Während Chris Ladehemmung hatte, gelang mir ein Bild als sich die wunderschöne Katze kurz zu uns umdrehte und dann elegant in den Büschen verschwand. Leider war sie weit weg, aber trotzdem nicht minder beeindruckend.

Der nächste Tag verflog nur so in der Hoffnung auf eine Tigerbegegnung. Es war sehr spannend und immer wieder standen wir lauschend an irgendwelchen Stellen im Park herum. Nach dem späten Frühstück standen wir wieder an der Stelle, wo wir tags zuvor die Tigerin gesehen hatten. Die Fahrer stellten die Autos ab und wir lauschen angestrengt in den Wald. Auf einmal ließ ein lautes Brüllen die Luft erzittern und ein leiseres Brüllen antwortete. Direkt vor uns im Gebüsch lagen zwei Tiger und paarten sich. Wir sahen immer wieder ca. 15 m von uns entfernt die Zweige flattern und hörten ab und zu ein gigantisches Brüllen. Kleine Zweige knackten und Blätter bewegten sich, doch mehr als ein paar Fellfetzen bekamen wir nicht zu Gesicht. An dieser Stelle verbrachten wir den gesamten späten Vormittag bis zum Abend. Zwischendurch holte ein Jeep ein paar Kekse und Chips, damit wir etwas zu essen bekamen, während wir zu viert in dem anderen Jeep standen und den Tigern lauschten. Auch die Anzahl der Jeeps stieg während der Wartezeit von wenigen auf fast 20 Fahrzeuge an. Viele hielten so wie wir bis zum Abend durch und so fuhren wir in einer endlos langen Staubfahne zurück ins Camp. Dort angekommen wurden wir in eine neue Unterkunft gebracht.
Wir bezogen zu viert ein Offiziershaus, das abseits von den anderen Unterkünften stand und eine tolle Aussicht auf den Fluss hatte. Auch diese Hütte hatte schon bessere Tage gesehen. Die Betten waren total verzogen und standen schief, außerdem quietschten sie lautstark bei jeder Bewegung. Natürlich waren sie genauso hart wie die Betten davor, aber irgendwie hatten wir uns schon fast an die „Steinbetten“ gewöhnt und konnten einigermaßen schlafen. Dafür gab es zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer mit Essecke, eine Küche und zwei Bäder. Scheinbar hatten sie es im Camp besonders gut mit uns gemeint, aber wir wären lieber in unserem ersten Zimmer geblieben.
Auch diese Nacht ging vorbei, auch wenn uns wieder jeder Knochen wehtat. Wir fragten uns, ob hier in diesen Betten wohl Fakire ausgebildet werden?

Übernachtung: Dhikala Forest Lodge, Jim Corbett Nationalpark

Am Morgen stand ein besonderes Ereignis auf dem Plan, denn wir machten einen Elefantenritt durch den Park, natürlich wieder auf der Suche nach einem Tiger. Doch diesmal mussten wir uns nicht an Straßen und Wege halten, sondern nur unserem Mahut und dem Elefanten vertrauen.
Dick eingemummelt trafen wir uns an diesem Morgen an einer Betontreppe, von der aus man bequem auf den Elefantenrücken klettern kann. Kurze Zeit später kamen auch schon drei graue Riesen auf uns zu. Wir waren die Ersten und der Mahut bestimmte die Sitzordnung. So saßen Chris und ich nebeneinander und Kerstin und Uwe auf der anderen Seite. Es war schon ein komisches Gefühl, nach so langer Zeit mal wieder auf einem Elefantenrücken zu sitzen. Ich saß vorne mit Blick auf den Mahut und den Elikopf, was mir sehr gut gefiel. Schon setzte sich unser Elefantenmädchen in Bewegung, vorangetrieben durch die ruckartigen Bewegungen des Mahuts. Gemächlich ging es einen Weg entlang hinaus aus dem Camp.
Ein indischer Tourist lief total begeistert neben uns her und der Mahut musste ihn daran erinnern, dass man das Camp nicht zu Fuß verlassen darf. Enttäuscht ging der Mann zurück. Manchmal fragt man sich wie verpeilt man sein kann, denn außerhalb des Camps ist es durchaus möglich, auf einen Tiger zu treffen. Das Gras stand sehr hoch und nur die Wege waren übersichtlich. Zum Glück passierte nichts und wir zuckelten weiter.
Nebelschwaden lagen über dem Grasland und dahinter kam langsam orange-gelb die Sonne hoch. Es war zwar empfindlich kalt, aber wir waren relativ warm eingepackt und konnten so das Schauspiel genießen. Ab und zu entdeckten wir einen anderen Elefanten vollgepackt mit staunenden oder auch frierenden Touristen. Einige Inder waren sehr dünn bekleidet und hatten nicht einmal Socken in ihren offenen Sandalen an. Dabei war es sicher nur wenig über Null Grad Celsius.
Axishirsche fraßen im hohen Gras und ab und an erklang ein Warnruf. Wir steuerten darauf zu und durchkämmten das hohe Gras systematisch mit den anderen Elefanten. Doch keine gestreifte Katze ließ sich blicken. Dafür stolperten wir fast über ein frisch geborenes Axishirschkitz, das auf einmal vor uns im Gras lag und mit schreckgeweiteten Augen zu uns auf sah. Zum Glück hatten wir es rechtzeitig entdeckt und unser Mahut lenkte den Elefanten geschickt um das Kleine. Langsam löste sich der Nebel auf und die Sonne gewann immer mehr an Kraft. Die Graslandschaft lag wunderschön im morgendlichen Licht vor uns, schemenhaft waren die angrenzenden Berge zu erkennen und das Wasser des Flusses glitzerte zu uns hinauf.
Da wir auf den weiten Flächen keinen Tiger entdecken konnten, steuerten die Mahuts ihre Elefanten in den Wald. Sie führten uns durch schier undurchdringliche Wildnis, wo nur die Tiere ihren Weg fanden. Wir kamen an einem kleinen Wasserloch vorbei, wo wir eine frische Tigerspur entdeckten, die unübersehbar im matschigen Boden vor uns lag.
Es war einfach nur klasse. Äste streiften unsere Füße, Blätter rauschten an uns vorbei und doch fand der Eli seinen Weg und brachte uns wieder zurück auf eine Fahrspur und dann langsam zurück ins Camp. Der Ritt war unbeschreiblich schön und wir wären gerne noch länger durch den Nationalpark geritten, aber irgendwann gehen auch die schönsten Stunden zu Ende und wir waren wieder im Camp.

Nach dem Frühstück stiegen wir wieder in die Jeeps und suchten weiter nach Tigern. Es war zwar auch schön, mit den Jeep durch den Park zu fahren, aber der Elefantenritt gehört für mich zu den Höhepunkten im Corbett Nationalpark.
Nach einer Mittagspause, wo wir noch einmal das schmackhafte Essen genossen, hieß es Abschied nehmen vom Nationalpark. Die vierstündige Rückfahrt verlief relativ ereignislos. Wir fuhren noch einmal an den Fluss und konnten weit weg die „Spitzmaulkrokodile“ Indiens, die Gangesgaviale, bewundern. Lemuren tobten in den Bäumen und Axishirsche fraßen am Wegesrand.
Der Corbett Nationalpark hatte uns sehr gut gefallen, doch zur Tigerbeobachtung ist er bedingt durch seine dichte Vegetation nicht der beste Park. Er ist eher bekannt für seine Elefanten, von denen wir leider nur drei gesehen haben. Das lag sicher auch an der Reisezeit. Im April – Mai soll es sehr gute Möglichkeiten geben, die Dickhäuter hautnah zu beobachten, da dann das Gras nachgewachsen ist und die Elis aus anderen Gebieten hierher kommen.
Einen ausgewachsenen Elefanten sahen wir noch kurz nach dem Verlassen des Parks. Er war sichtlich nervös und trompetete aufgeregt, obwohl er noch relativ weit von der Straße entfernt in den Büschen stand.
Am frühen Abend kamen wir wieder in Ramnagar im Tiger Camp an. Diesmal bezogen wir einen Bungalow im Erdgeschoss. Das Abendessen gab es wieder in Buffetform und wir ließen es uns schmecken.
Sehr müde sanken wir in die komfortablen Betten und schliefen sofort ein. Was für ein Genuss diese weiche Matratze!

Übernachtung: Tiger Camp, Jim Corbett Nationalpark

Dienstag, 28.02.2012
11. Tag

Nach einem guten Frühstück starteten wir pünktlich um 7.15 Uhr mit unserem netten umsichtigen Fahrer von der letzten Überlandfahrt. Zusammen mit den Männern verstaute er das Gepäck im Auto. Wieder gab es für jeden von uns ein Wasser und er besorgte an einem Stand frisches Obst. Diesmal gab es auch noch vom Hotel aus eine Lunch Box, so dass wir nicht verhungern würden.
Wieder saß ich im altbekannten Hasenstall. Rechts neben mir waren die Koffer aufgestapelt, darauf thronten die Fotorucksäcke.
Die ca. 330 km lange Fahrt war mit 7-8 Stunden Fahrtzeit eingeplant, aber das würde ich schon durchhalten, sagte ich mir.
Doch die Fahrt wurde für mich zu einer Herausforderung. Mittlerweile regte sich neben einem Schnupfen auch mein Hals und ich fühlte mich gar nicht mehr gut. Die kalten Füße in Amritsar und die zugige Bahnfahrt hatten ihren Preis gefordert.
Ein Schlagloch reihte sich ans nächste. Obwohl unser Fahrer immer wieder auswich, nahmen wir doch das ein oder andere mit und wurden kräftig durchgeschüttelt. Schwerverkehr kam uns entgegen. Die bunten LKWs waren teilweise so überladen, das sie ausschauten, als ob sie riesige Turbane auf hätten.
Ochsenkarren und Pferdegespanne zogen voll beladen an uns vorbei. Dunst lag über dem Land. Reisfelder und Zuckerrohrplantagen flogen vorbei, bunt angezogene Menschen liefen auf der Straße oder arbeiteten am Wegesrand. Durch den Dunst wirkte alles etwas mystisch auf mich. So kam ich mir stellenweise vor, als ob ich eine Zeitreise angetreten hätte.
In den Orten tummelten sich unzählige Menschen, bunt leuchteten uns die Märkte in den Städten und Dörfern während unserer Fahrt entgegen.

An den Bahnübergängen war es wieder sehr spannend. LKWs stapelten sich und wir standen trotz offener Schranke im Stau. Doch irgendwann ging es weiter. Ab und zu kam uns auch auf unserer Spur Gegenverkehr entgegen, dem unser Fahrer geschickt auswich.
Eine Mülldeponie war mit einer Mauer und Stacheldraht umzogen und sollte ungebetene Besucher fern halten. Unmengen an Raubvögel und Krähen durchsuchten den Müll. Hunde scharrten im Dreck und suchten nach Fressbarem. Teilweise kamen wir nur mit 30-50 km/h voran.
An einem weiteren Bahnübergang war der Verkehr besonders heftig. Die zweispurige Straße wurde mehrspurig genutzt. Wieder standen Obstkarren, Fahrradfahrer, Rikschas, Tuk Tuks, LKWs, Busse wild durcheinander und es dauerte lange, bis wir weiter konnten und sich der Knoten gelöst hatte.
Vor mir hatten die Drei ihren Spaß und fotografierten aus den offenen Fenstern. Frischer Wind wehte mir um die Ohren, wenigstens bekam ich so etwas Luft in der hinteren Reihe, denn es war sehr warm an diesem Tag.
In den Orten sahen wir überall Kühe herumlaufen. Affen belagerten die überfüllten Straßen. Immer wieder standen einzelne Palmen auf den Feldern. Ziegel wurden in Öfen gebrannt und getrocknete Kuhfladen lagen kunstvoll aufgetürmt vor den Häusern der Dorfbewohner.
Auffällig war die Polizeipräsenz, die sich kurz vor Agra zu steigern schien. Die Stecke zog sich zäh dahin  und wir brauchten über 9 Stunden bis wir endlich in Agra ankamen. Es ging über Stock und Stein auf einer relativ schlechten und viel befahrenen Schlaglochpiste. Die Fahrt war aber sehr interessant und wir sahen viel vom ländlichen, ursprünglichen Indien zwar nur im Vorbeifahren aber dafür authentisch.
In Agra war der Verkehr noch dichter und wir kamen nur langsam unserem Ziel, dem Hotel Jaypee Palace näher. Dafür konnten wir am Yamuna Fluss einen ersten Blick auf das Taj Mahal werfen. Einige interessante Gebäude zogen an unseren staunenden Augen vorbei bis wir endlich vor unserem Hotel standen.

Mit so einem riesigen noblen Gebäude hatten wir gar nicht gerechnet. Ein wenig verschüchtert luden wir unsere Sachen aus, die zum Teil arg verstaubt waren. Auch wir sahen nach der mehr als anstrengenden Fahrt nicht gerade vorzeigemäßig aus, aber es half alles nichts – wir hatten gebucht und mussten nun hier bleiben.
Zuerst mussten wir unsere Fotorucksäcke abgeben, da sie separat durchleuchtet wurden, dann kamen wir an die Reihe und gingen durch eine Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich des Hotels. Jeder musste seine Taschen öffnen, als ich an der Reihe war und meine Handtasche öffnete, kamen der guten Dame zig benutzte Taschentücher entgegen, die ich ja schlecht im Auto lassen konnte. Sie hauchte leise ein „nice“ und ließ mich mit hochrotem Kopf passieren.
Dann bekamen wir eine Blumenkette umgehängt. Als ob das nicht schon genug des Guten wäre, gab es anschließend noch einen Rosenblätter-Willkommenstrunk in quietschrot. Das war fast zu viel und wir fühlten uns reichlich deplatziert.
Unser Reiseleiter Santosh begrüßt uns etwas mürrisch am Hotel. Unsere unternehmungsfreudige Frage, ob wir heute noch einen Blick aufs Taj Mahal werfen könnten, verneinte er, da die Sonne gleich untergehen würde und es schon zu spät sei. Er hatte im Nachhinein zwar Recht, aber als wir die Sonne golden in der Hotelgartenanlage hinter den Bäumen verschwinden sahen, hätten wir ihm am liebsten gewürgt. Kurz überlegten wir mit einem Taxi zum Taj Mahal zu fahren, schoben den Gedanken jedoch zu dieser späten Stunde beiseite und begnügten uns mit der Erkundung des edlen Hotels.
Unser Zimmer war groß und schön eingerichtet mit Blick auf eine kleine Gartenanlage. Wir hatten sogar eine Terrasse.
Vorab hatten wir uns schon mal die Restaurants angeschaut, von denen es vier im Hotel gab. Wir entschieden uns für ein Buffet, das sage und schreibe 20€ pro Person kostete. Dementsprechend hoch waren unsere Erwartungen und sie wurden noch getoppt – doch leider nur in negativer Hinsicht. Schon als wir in den riesigen Raum kamen, herrschte ein enormer Lärmpegel. Alle Plätze waren von meist asiatischen Reisegruppen besetzt und dementsprechend laut ging es zu. Ich war leicht an die Mitropa-Bahnhofsrestaurants aus vergangenen Zeiten erinnert. Leider war auch das Essen absolut geschmacklos, wenn auch die Vielfalt stimmte. Ziemlich schnell hatten wir genug und ich bereute arg, dass ich mir dieses Fiasko trotz Erkältung angetan hatte. Gerade in diesem guten Hotel hätten wir mehr erwartet und dementsprechend enttäuscht waren wir.

Übernachtung: Jaypee Palace Hotel, Agra

Mittwoch, 29.02.2012
12. Tag

An diesem Morgen klingelte der Wecker sehr früh, denn pünktlich zum Sonnenaufgang wollten wir das bekannteste und berühmteste Bauwerk Indiens besichtigen, das Taj Mahal. Schon der klangvolle Name, der übersetzt „Krone des Ortes“ oder „Kronenpalast“ bedeutet, ließ unsere Herzen vor Vorfreude höher schlagen. Der bengalische Literaturnobelpreisträger Rabindranath Thakur bezeichnete dieses Bauwerk so poetisch als „eine Träne auf der Wange der Zeit“.
Fast jeder kennt die Geschichte vom Großmogul Shah Jahan, der für seine  Lieblingsfrau Mumtaz Mahal, die im Alter von 38 Jahren bei der Geburt ihres 14. Kindes 1631 verstarb, dieses architektonische Meisterwerk errichten ließ. Nur wenige Jahre nach der Fertigstellung wurde Shah Jahan von seinem Sohn wegen seiner Verschwendungssucht entmachtet und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens als Gefangener im Agra Fort. Von dort konnte er nur aus der Ferne einen Blick auf das Grabmal seiner Frau werfen. Nach seinem Tod wurde er in einer Gruft neben seiner Frau bestattet.
Das Taj Mahal ist 58 m hoch und 56 m breit, steht auf einer 100x100 m großen Marmorplatte, wodurch es ausschaut, als ob es in den Himmel ragt. Um das Hauptgebäude herum sind vier 41 m hohe Minarette aufgestellt. Sie sind leicht nach außen geneigt, damit im Falle eines Erdbebens das Gebäude nicht zerstört wird.
Der Hauptbaustoff für das Taj Mahal ist weißer Marmor. Über 1000 Elefanten schafften aus ganz Indien und Asien die Baumaterialien herbei. In den Marmor wurden 28 verschiedene Arten von Edelsteinen und Halbedelsteinen als wunderschöne Blütenmuster nach Pietra Dura Art eingearbeitet. Koranverse schmücken die Wände wie auch perfekt gearbeitete Reliefblüten.
Auf dem Gebäude thront die bekannte zentrale 44 m hohe Kuppel, die von vier kleineren „Zwiebeltürmchen“ umgeben ist. 
Nach Westen in Richtung Mekka befindet sich eine Moschee und der Symmetrie halber auf der anderen Seite im Osten ein identisches Gästehaus.
Das Taj Mahal wurde 1983 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und gilt in der heutigen Zeit wegen seiner Symmetrie als eines der schönsten und bedeutendsten Beispiele des Mogulstils in der islamischen Kunst.
Aber auch der 18 ha große Garten ist symmetrisch und sehr durchdacht angelegt. Ein zentraler Wassergraben führt zum Taj. Der Besucher kann darin das Taj spiegeln sehen. In der Mitte des Wassergrabens ist eine Marmorplattform mit Bänken. Von dort aus hat man einen perfekten Blick auf das Grabmal. Hier entstand auch das bekannte Bild von Lady Diana, die mit traurigem Blick vor dem Taj sitzt.
Doch bevor wir dieses einmalige bauliche Meisterwerk mit eigenen Augen zu sehen bekamen, mussten wir noch die Eintrittskarten besorgen. Das hatte eigentlich unser Guide am Vortag noch machen wollen, aber es wohl nicht mehr geschafft. So warteten wir zuerst an der Kasse. Für 750 Rs / Person (ca. 13 €) kaufte er die Tickets, dazu gab es eine Flasche Wasser und ein paar Schuhüberzieher, die wir auf dem Marmor tragen sollten. Ein Elektroauto brachte uns dann zum Eingangstor. Es standen schon einige Leute an. Die Wächter stempelten schon vor Einlass die Karten ab. Mit Sonnenaufgang gingen dann die Tore auf. Natürlich mussten wir wieder durch eine Sicherheitskontrolle, denn Kaugummis, Feuerzeuge, Zigaretten, Knabbereien usw. sind verboten. Das Verbot betrifft leider auch Bücher und Stative, die hätten wir zwar wirklich gerne dabei gehabt, aber wir fügten uns natürlich den Auflagen und haben sie gleich im Hotel gelassen.
Dann endlich lag die Kontrolle hinter uns und wir flitzten über den Innenhof auf das kupferne Eingangstor zu. Von der Schönheit dieses Tores bekamen wir nur wenig mit, denn wir wollten zusammen mit etlichen anderen die Ersten sein, die das Taj Mahal möglichst ohne störende Menschen zu sehen bekommen. Dann endlich standen wir hinter dem Eingangstor und konnten einen Blick auf das begehrte Gebäude werfen. Fast schon ehrfürchtig betrachteten wir dieses Bauwerk aus weißem Marmor, das robust und zart zugleich vor uns aufragte. Das erste, noch sehr dunstige Licht lag seitlich auf der Kuppel. Es war einfach wunderschön, dieses Denkmal einer großen Liebe! Dieses Bauwerk muss man mit eigenen Augen sehen und sich selbst ein Bild davon machen. Beschreiben kann man viel, aber nur die eigenen Eindrücke zählen. Wir jedenfalls waren begeistert, wie das Taj vor uns in den Himmel ragte.
Doch für viel Gefühl war keine Zeit, schon ging es weiter, vor den meisten anderen Menschen wollten wir auf der Marmorplattform sein und von hier denselben Blick genießen wie schon Millionen von Menschen vor uns.
Langsam kam die Sonne hinter den Bäumen hervor und wir Frauen liefen zur Moschee, um von dort aus die Sonne am Minarett und dem Taj Mahal aufgehen zu sehen. Hier waren wir noch völlig alleine und konnten dieses Schauspiel so richtig genießen. Die Männer liefen direkt zum Taj und erlebten dort den Sonnenaufgang. Wunderschön schob sich die Sonne über die östliche  Moschee, wie ein funkelnder Diamant, um sich dann im Objektiv der Kamera in einen Stern zu verwandeln.

Viel zu schnell verging die Zeit und immer mehr Menschen stürmten das Taj. Begeistert nahmen wir die vielen verspielten Details wahr, erfreuten uns an den wunderschönen Edelsteineinlegearbeiten, den herausgearbeiteten Blüten, den Inschriften und dem Marmor, der im morgendlichen Licht warm leuchtete. Ein Genuss für unsere müden Augen!
Natürlich schauten wir uns auch die Kenotaphe (Scheingräber) im Inneren des Taj Mahals an. Im diffusen Licht, das durch die durchbrochenen, gitterartigen Jali-Marmorfenster sanft in den Raum fiel, konnten wir einen Blick auf den Sarg von Mumtaz Mahal und direkt daneben den Sarg von Shah Jahan werfen. So sind sie im Tod für immer zusammen, bis die Träne auf der Wange der Zeit vergeht. Was für ein schöner Gedanke. Die wahren Sarkophage sind jedoch in einer Gruft für die Menschenmassen unerreichbar aufbewahrt.
Im Innenraum des  Taj Mahal ist es verboten zu fotografieren und das wird auch sehr streng überwacht! Immer wieder erschall die Trillerpfeife eines Wachmanns, wenn mal wieder ein Tourist seinen Fotoapparat zückte und das Blitzlicht den Raum erhellte.
Blinzelnd traten wir wieder ins Freie. Wir liefen noch ein paar Mal um das Taj und begaben uns dann langsam in Richtung Ausgang.

Gerade noch rechtzeitig kamen wir im Hotel an, um noch schnell zu frühstücken. Das Frühstücksbuffet war sehr reichhaltig und schmeckte auch gut, so dass wir gestärkt kurz auf den Zimmern verweilten und dann um 11 Uhr zum Roten Fort aufbrachen. Das Rote Fort ist eine Festungs- und Palastanlage die im 16. und 17. Jahrhundert etlichen Mogulen als Residenz diente. Die halbmondförmige Anlage ist von einer über 20 m hohen und 12 m dicken Ziegelsteinmauer, die mit rotem Sandstein verkleidet wurde, umgeben. Von dieser Mauer stammt auch der Name des Forts. Um die Anlage herum verläuft ein Wassergraben und nur durch zwei Eingangstore, das Delhi-Tor und das Amar Singh-Tor kann man ins Innere gelangen. Darin befinden sich Palastbauten aus der Zeit von Shah Jahans. Vieles ist mit weißem Marmor verkleidet und mit Stein- oder Glasintarsien verziert. Im Inneren der Festung findet man Moscheen, Gärten, Höfe, Paläste und vieles mehr. Das Rote Fort wurde wie auch das Taj Mahal 1983 in die Liste als UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.
Unser Reiseführer Santosh führte uns über das Amar Singh Gate ins Innere des Forts. Wir folgten dem Weg bis zu einer gepflegten Grünanlage mit Blick auf das Jahangiri Mahal, das wir vorerst links liegen ließen und wendeten uns einem älteren stark verfallenen Ruinenkomplex zu. Hier nagte stark der Zahn der Zeit und viele der prachtvollen Verzierungen und Reliefs waren zerstört, aber irgendwie hatte gerade dieser alte Festungsabschnitt eine sehr starke Wirkung auf uns. 
Auf einer Wiese neben dem Jahangiri Mahal spielten Rhesusäffchen mit einem Wasserschlauch, der für die Bewässerung der Wiese vorgesehen war. Es war richtig niedlich wie vor allem die kleinen Äffchen durch das Wasser tobten und sichtlich ihren Spaß hatten. Leider war unser Santosh etwas ungeduldig mit uns, dabei hätten wir noch so viele Details gesehen, aber das Rote Fort hatte ja noch etliches mehr zu bieten.

Durch das Jahangiri Mahal gelangten wir in einen kleinen Hof nahe der Mauer und konnten von dort einen Blick auf das Taj Mahal werfen, das unverkennbar aus dem Dunst der Stadt zu uns herüber leuchtete. Danach besichtigten wir den Privatpalast von Shah Jahan, das Khas Mahal mit dem prächtigen Gartenkomplex - Anguri Bagh. Wir schauten uns noch die Audienzhalle Diwan-i-Khas an, in deren hübschem achteckigen Turm - Saman Burj - Shah Jahan seine letzten Jahre verbrachte, gepflegt von einer seiner Töchter. Unterhalb der Diwan-i-Khas sollte einst der berühmte Pfauenthron gestanden haben. Der Thron soll aus purem Gold mit Diamantenbesatz und das Kissen darauf mit Perlen und Rubinen bestickt gewesen sein. Er galt schon damals als ein Symbol der Prunksucht und Verschwendung. Von der Thronterrasse mit ihrem wunderbaren Flussblick konnten wir einen Blick auf den schwarzen Marmorthronsitz direkt an der Mauer werfen, dem gegenüber das Gegenstück aus weißem Marmor steht.
Zum Abschluss unseres Rundweges besichtigten wir noch die öffentliche Audienzhalle – Diwan-i-Am. Sie beeindruckt durch zahlreiche Pfeiler, die in geschmackvollen Bögen enden.   In der Mitte der Halle wandert der Blick auf die hübsch verzierte Thronnische mit unzugänglichen Privatgemächern dahinter.
Im Hof befindet sich unübersehbar das Grab von John Russel Colvin, dem Vizegouverneur der Nordwestprovinzen, der während eines Aufstandes 1857 an dieser Stelle getötet wurde. Von hier aus konnten wir auch einen Blick auf das Dach der bekannten Perlenmoschee – Moti Masjid werfen. Sie soll die größte Marmor-Moschee der Welt sein, doch leider hatte unser Santosh sie nicht für eine Besichtigung eingeplant. Die Sonne brannte nur so vom Himmel, es war sehr heiß an diesem Tag, so dass wir gerne durch die kühlen Gemäuer wanderten.
Doch so langsam näherten wir uns wieder dem Anfang unserer Tour. Freche gestreifte Palmenhörnchen flitzten die Bäume hoch und runter, immer auf der Suche nach etwas zum Futtern. Ein paar Hunde lagen in den schattigen Nischen des Garten Anguri Bagh. Wenn man kurz innehielt und die Augen schloss fühlte man sich ein wenig wie ein Gast in einem Märchen aus Tausend und einer Nacht, wo seidene Stoffe sanft im Wind wehten, die Schmuckstücke der Prinzessinnen leise klimperten, wenn sie durch die Gänge liefen und glockenhelles Lachen durch den Palast schallte.

Viel zu schnell verflog die Zeit, doch Santosh drängelte, denn für den heutigen Tag stand noch eine weitere Besonderheit auf dem Programm. So folgten wir widerstrebend unserem Reiseleiter zum Auto und quetschten uns durch Agras Stadtverkehr bis wir auf dem Parkplatz des Mausoleums von Itimad-du-Daula standen.
Es befindet sich nur 3 km nordöstlich des Roten Forts auf der anderen Flussseite und wird nicht umsonst als ein Juwel islamischer Architektur in Indien bezeichnet. Erbauen ließ es zwischen 1622 und 1628 Jehangirs Nur Jahan für ihren Vater Mirza Ghiyas Beg, der aus Anerkennung für seine politischen Verdienste den Titel Itimad-du-Daula = Säule des Staates trug.
Dieses Grabmal war das erste Mogul-Gebäude, das gänzlich aus Marmor errichtet wurde und mit filigranen Intarsien in Pietra-dura-Technik ausgestattet wurde. Dieselbe Technik wurde ca. 10 Jahre später beim Taj Mahal angewendet und auch andere Parallelen finden sich zwischen den beiden Bauten, so wird das Grabmal auch als Baby Taj bezeichnet.
Schon das Eingangstor war reich verziert und von großer Schönheit. Nachdem wir das Tor durchschritten hatten, wurde mein Blick direkt durch einen geraden - wenn auch leider ungefüllten - Wasserkanal auf das zentral liegende Grabmal geleitet. Der Grabbau selbst wird durch vier an den Ecken des Gebäudes hervortretenden sechseckigen Minaretten eingerahmt auf deren Spitze Pavillons thronen. Anstelle einer Kuppel befindet sich ein großer verzierter Pavillon auf dem Dach.
Je näher wir kamen, desto besser sahen wir die feinen Pietra Dura-Arbeiten an dem Gebäude.
Durch den zentralen Eingangsbogen betraten wir die Innenräume. In der Mitte des Gebäudes befindet sich ein zentraler Grabraum mit acht kleinen Nebenräumen. Im Hauptraum sind die Kenotaphe (Scheingräber) Itimad-ud-Daulas und seiner Frau aus gelbem Marmor zu sehen. Durch feingearbeitete Jali-Fenster mit geometrischen Mustern fiel Licht in den Raum. Das gesamte Bauwerk ist mit Blumen, Zypressen, Weinkrügen, Blätterranken und Mustern reich verziert. Wir konnten uns kaum sattsehen an den wunderschönen Arbeiten. Doch leider war auch hier dringend eine Renovierung nötig, denn an vielen Stellen waren die Muster zerstört und es wirkte fast, als ob jemand mit einer Maurerkelle die prunkvollen Abbildungen verputzt hätte.
Nachdem wir uns im Inneren genug satt gesehen hatten, schlenderten wir noch durch die viergeteilte Gartenanlage (Char Bagh) und besichtigten die anderen Gebäude, wie das dem Eingangstor gegenüberliegende Naggarkhana, von dem man einen schönen Blick über den Yamuna Fluss hat.

Zum Abschluss des Tages brachte uns unser Fahrer wieder ans „andere“ Ufer des Flusses, denn hier wollten wir den Sonnenuntergang am Taj Mahal genießen. Das Vorhaben war jedoch leichter gesagt als getan, denn mittlerweile war Agras Verkehr noch dichter und so kamen wir zum Teil nur im Schritttempo voran. Zum Glück lagen wir gut in der Zeit.
Wir parkten direkt am Botanischen Garten. Da leider die Mitnahme von Stativen in den Botanischen Garten untersagt war, gingen wir direkt zum Fluss und bauten dort unsere Stative auf. Auch hier war wieder Polizeipräsenz und ein Zaun hielt uns davon ab, näher an den Fluss heranzugehen. Endlich hatten wir Zeit und Santosh konnte uns sein Wissen zum Taj Mahal weitergeben. Am Morgen hatten wir dafür nämlich keine Zeit, warum wohl?
Das Taj wurde auf Grund seiner Nord-Süd-Ausrichtung nur seitlich von dem warmen Licht der untergehenden Sonne angestrahlt. Immer noch tummelten sich die Menschenmassen an dem Gebäude, das bis zum Sonnenuntergang geöffnet ist. Hier an der anderen Flussseite war es sehr ruhig, nur wenige Touristen hatten sich mit uns eingefunden. Dafür leisteten uns ein paar größere Hundewelpen Gesellschaft.
Als die Sonne fast vollständig im Dunst der Stadt verschwunden war, packten wir zusammen und fuhren zurück in die Stadt. Wieder kämpfte sich unser Fahrer durch den Verkehr. Unterwegs beschlossen wir diesmal einen McDonalds aufzusuchen und dort etwas zum Essen zu holen. So brachte uns unser Fahrer zum Drive-In und zig Chicken Burger samt Getränken landeten bei uns auf den Rücksitzen. Schon vor Vorfreude knurrten uns die Mägen, doch zuerst musste das Essen noch im Hotel landen. Diese Tatsache bereitete uns ein wenig Kopfzerbrechen, zumal ja alle Taschen durchsucht werden. Wir beschlossen frech zu sein, und alles ganz offen in das Hotel zu bringen. Gesagt getan. Chris marschierte mit seinen Getränken in einem Papptragetäschchen direkt durch die Sicherheitsschleuse, wir hinterher, die Burger duftend in Plastiktüten. Es roch verführerisch. Doch selbst das Wachpersonal musste lachen und so kamen wir ohne Probleme mit unserem Essen im Zimmer an. Auch für weitere bierhaltige Getränke hatte Chris noch an einem Bottlestore gesorgt. So waren wir bestens versorgt und hatten einen lustigen Abend, nach einem langen anstrengenden Tag.

Übernachtung: Jaypee Palace Hotel, Agra

Donnerstag, 01.03.2012
13. Tag

Da uns das Taj Mahal so gut gefallen hatte, wollten wir es an diesem Morgen noch einmal besuchen. So brachte uns unser Fahrer zum Ticketschalter, wo diesmal Chris und Uwe die Karten lösten und mit Wasser und Schuhschützern wieder heraus kamen. Diesmal fuhr uns unser Fahrer bis zur Absperrung, den Rest des Weges, der für Autos gesperrt ist, legten wir zu Fuß zurück. Auch an diesem Morgen standen schon wieder etliche Menschen vor uns an, wieder wurden vorab die Tickets gestempelt und auch die Sicherheitskontrolle ging relativ flott. Nur bei Kerstin nahm es die Kontrolleurin etwas genauer und konfiszierte ihren gelben Buntstift.
Auch beim zweiten Besuch hatte das Taj für mich nichts von seinem Charme verloren und zog mich sofort wieder mit voller Kraft in seinen Bann. Diesmal war noch etwas mehr Morgendunst und so lag das Taj Mahal im leichten Nebel vor uns.
Der Sonnenaufgang war wieder ein Erlebnis der besonderen Art, als die Sonne orange schimmernd aus dem Nebel heraus zu leuchten anfing. Es war noch sehr kühl an diesem Morgen und so hielten wir die Gesichter in die ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Für einen kurzen Moment blieb die Zeit stehen an diesem einzigartigen Platz. Wir nahmen alle Eindrücke noch einmal fest in uns auf. Diesmal sahen wir nicht alles nur durch den Sucher der Kamera, sondern nahmen uns auch mal die Zeit, einfach auf dem Marmor zu sitzen um innezuhalten. Um ca. 9.30 Uhr verließen wir die Anlage – wieder durch das westliche Tor. Unser Fahrer wartete schon auf uns und brachte uns zurück zum Hotel. Diesmal hatten wir etwas mehr Zeit für das Frühstück.

Um 12 Uhr checkten wir aus. Das Gepäck konnten wir im Hotel sicher deponieren. Danach ging es los zu unserer Nachmittagstour. Wir wollten das  „Tomb of Akbar – The Great Mausoleum“  der  letzten Ruhestätte des Mogulkaisers Jalaludin Muhammad (1542-1605) genannt „Akbar – der Große“ besichtigen. Dieses Grabmal befindet sich in Sikandra ca. 10 km von Agra entfernt. Mit dem Bau dieses flächenmäßig größten Grabmals Indiens wurde noch zu Lebzeiten von Akbar begonnen und es wurde von seinem Sohn 1613 fertiggestellt.
Schon der Torbau war außergewöhnlich schön mit reichlichen Verzierungen aus rotem Sandstein, weißem Marmor und grauem Schiefer. Vier weiße Marmorminarette sind dem Gebäude in den Ecken aufgesetzt und ziehen den Blick magisch an.
Nachdem wir das Tor durchschritten hatten, standen wir wiederum in einem durch Wasserkanäle viergeteilten Garten im persischen Stil. Doch was war das? Mitten im Garten grasten friedlich Gazellen (Chinkara), die den afrikanischen Impalas auf den ersten Blick sehr ähnlich sahen. Pfaue riefen und Hörnchen flitzten die Bäume hoch und runter. Hier war es wirklich schön und nicht umsonst hieß ein Teil der Torinschrift: "Dies sind die Gärten von Eden. Tritt ein und lebe auf ewig."
Der zentrale fünfstöckige Grabbau hat keine rahmenden Minarette und auch keine Zentralkuppel, stattdessen erblickt man Elemente der  Palastarchitektur der Mogulzeit. Bevor wir das Innere des Grabmals betreten durften, mussten wir wieder Überzieher über unsere Schuhe streifen, erst dann kamen wir ins Gebäude. Aus der farbenprächtigen Vorhalle, führt ein schmaler Gang in eine Gruft, in der der Sarkophag Akbars steht. Hier wurden leider die Malereien übertüncht, wodurch die Grabkammer sehr steril auf uns wirkte. Ganz im Gegensatz zur Vorkammer, die farbenprächtige Malereien zieren, die von Gold-, Blau- und Rottönen dominiert sind. Durch feingliedrige Jalis-Gitterfenster mit ihren geometrischen Motiven fällt das Licht sanft in den Raum. Immer wieder drehten wir eine Runde durch den Raum und konnten uns kaum sattsehen.
Danach umrundeten wir noch das Grabmal von außen durch einen schönen Säulengang und betrachteten die Grabmäler der Frauen. In den Säulenbögen beobachteten wir noch ein paar freche grüne Papageien, dann hieß es Abschied nehmen von diesem Ort der Ruhe und des Friedens.

Zurück ging es nach Agra, wo uns unser Reiseleiter noch in eine Marmormanufaktur brachte. Hier konnten wir uns einmal aus der Nähe die filigranen Pietra Dura-Arbeiten anschauen. Es gibt nur wenige Künstler, die fähig sind, diese aufwendige Intarsien-Technik anzuwenden, da alle Arbeitsschritte in Handarbeit ausgeführt werden müssen. Ein paar Arbeiter zeigten uns einzelne Schritte bei denen sie flache Edelsteinplättchen schliffen und diese in vorher ausgeformte Vertiefungen einer Marmorplatte in Form von Blättern oder Blüten einlegten. Wow, diese Arbeit ist einfach genial und wir waren begeistert. Doch ein Tisch oder ähnliches aus dieser Arbeit passte beim besten Willen nicht mehr in unser Gepäck. Wir schauten uns auch noch einen kleinen Silberschmuckladen an, in dem unter anderem Zardozi-Arbeiten in Form von Kissen, Wandbildern oder Handtaschen angeboten wurden. Dabei wurden Stoffe, hauptsächlich Seide mit Goldfäden bestickt und dabei Edelsteine eingearbeitet. Das schaut zwar absolut faszinierend aus, aber ist so gar nicht unser Stil und so verließen wir das Geschäft wieder, ohne einen Einkauf gemacht zu haben.
Da uns ja an diesem Tag eine Nachtfahrt im Zug bevor stand, ließen wir uns von unserem Reiseleiter in ein typisch indisches Restaurant bringen, das war jedenfalls unsere Bitte. Gelandet sind wir in einem typischen Touristenrestaurant, wo für ganze Busladungen gedeckt war und der „Arme“ nun endlich seine Provision bekam. Aber egal, denn es war nett und das Essen hat geschmeckt. Frisch gestärkt brachte uns unser Fahrer noch einmal ins Hotel, wo wir im Foyer die Stunden bis zur Abfahrt des Zuges verbrachten. Hier verabschiedete sich auch unser Reiseleiter Santosh von uns.
Unser Fahrer holte uns um 20 Uhr vom Hotel ab und brachte uns zum Bahnhof, ein Angestellter von unserem Reiseleiter begleitete uns. Doch eigentlich war er total überflüssig, denn unser Fahrer kümmerte sich um alles. So standen wir auf dem Bahnsteig und unser Fahrer passte auf uns auf. Er schickte sogar mal einen Mann weiter, der auffällig gaffend immer näher kam.
Ein Bahnhofsangestellter kam und belehrte uns, dass wir auf unser Gepäck aufpassen sollen. So was hatten wir auch noch nicht erlebt. Wir hörten verblüfft zu und waren weniger begeistert, als er uns aufforderte mit Namen und Adresse Angaben zum Woher und Wohin unserer Reise zu machen. Mit Hilfe einiger Fantasienamen waren die Zeilen schnell ausgefüllt und wir hatten mal wieder unseren Spaß.
Nachts auf dem Bahnhof war auch eine interessante Erfahrung für uns. Viele Leute warteten hier auf den Zug. Sie saßen am Boden und es wurde gegessen, einige schliefen, ein Vater hielt sein Kind über die Gleise, weil es mal musste, fette Ratten durchsuchten das Gleisbett nach Fressbarem. So wurde es nicht langweilig bis der Zug kam.
Kurz vor Einfahrt des Zuges erfuhren wir, dass wir auf ein anderes Gleis mussten, das hieß, dass unser gesamtes Gepäck über eine steile Treppe auf einen anderen Bahnsteig transportiert werden musste. Der Hilfsreiseleiter ging voran, unser Fahrer schnappte sich meinen Koffer und ich nahm Uwe den schweren Fototrolley ab. Das war vielleicht anstrengend, zumal wir sehr schnell sein mussten, denn die Züge in Indien bleiben nur selten längere Zeit am Bahnsteig stehen und unser Zug hatte schon Verspätung. Also war Eile angesagt. Im Schweinsgalopp und viel zu schwer beladen hasteten wir über die Treppe hinauf, um dann wieder über eine andere Treppe auf den anderen Bahnsteig zu gelangen. Schweiß brach uns aus, aber wir schafften es und kamen zusammen mit dem Zug auf dem Bahnsteig an.
Unser Erste-Klasse-Schlafwagenabteil war schnell gefunden. Jetzt waren wir wirklich geschafft und so ein Schlafabteil käme gerade recht. Also hinein ins Vergnügen! Unser Fahrer ging voran und brachte den Koffer schon mal rein. Wir folgten langsam. Doch was war das? Ein riesiges Abteil mit einem extrem engen Gang lag vor uns. Wir stolperten über Schuhe, interessierte Blicke neugieriger Schlafwagen-mitfahrer folgten uns.
Im Gang waren jeweils zwei Betten übereinander angebracht, die mit einem Vorhang zugemacht werden konnten, dann kam unser Abteil. Auf jeder Seite stapelten sich drei Betten übereinander und oben lag schon jemand. Die Schlafabteile wurden nur durch einen Vorhang geschlossen und jedes Mal wenn jemand den Gang entlang lief, öffnete sich der Vorhang. Privatsphäre war hier definitiv ein Fremdwort. Es war kein Platz fürs Gepäck im Abteil, außer unter der unteren Sitzbank, wo es sehr schmutzig war. Also wurde das Gepäck erst einmal auf die gegenüberliegende Sitzbank und die darüber liegende Pritsche gestapelt und wir setzten uns zu viert auf die gegenüberliegende Sitzbank. So sollten wir die ganze Nacht durchhalten? Ich würde sicher kein Auge zu machen. Das andere noch freie Bett konnten wir nicht runterlassen, denn dann hätten wir nicht mehr sitzen können.
Da ich immer noch ziemlich krank war, konnte ich anfangs so gar nicht über diese Situation lachen. Selbst Chris fielen zuerst keine dummen Sprüche ein. Schon nach kurzer Zeit tat mir alles weh, denn die Liegen waren nicht so recht zum Sitzen bestimmt. Ich fing an die Stunden zu zählen, doch das ließ ich schleunigst wieder sein, denn sonst wäre meine Laune ganz weit unter null gerutscht.
Chris schickte mich noch für ca. eine Stunde in das oberste Bett auf unserer Seite, dort döste ich etwas, bis der rechtmäßige Besitzer erschien und in sein Bett wollte. So quetschte ich mich wieder unten zwischen die Drei und versuchte etwas Schlaf zu bekommen. Zu viert schliefen wir dann in allen möglichen Positionen im Sitzen, was sicherlich ein interessantes Zeitraffervideo geworden wäre. Zu allem Überfluss schnarchte der neue Inder über uns dermaßen laut, dass wir uns den MP3 ins Ohr stecken mussten. Jetzt quatschte uns zuerst Kaya Yanar mit Ranjit in den Schlaf und dann lief ein Musikalbum nach dem anderen. Die Nacht erschien uns endlos. Doch mittlerweile hatten wir unseren Humor wiedergefunden. Wir dachten schon nach dem Dikhala Camp im Corbett hätten wir das Schlimmste hinter uns, aber wie heißt es doch so schön: Schlimmer geht immer! Das ist und bleibt der beste und wahrste Spruch aller Zeiten.

Übernachtung: Schlafabteil im MARUDHAR EXPRESS – 14854

Freitag, 02.03.2012
14. Tag

Endlich graute der Morgen und so langsam konnte man draußen etwas erkennen, eine der unbequemsten Nächte überhaupt lag endlich hinter uns. Leben kam wieder in den Zug. Ständig klingelte ein Handy und der Besitzer erzählte lautstark. Noch lauter versuchten andere das Handy zu übertönen. Zum Glück verstanden wir nichts von den Gesprächen. Irgendjemand ließ blechern aus dem Handylautsprecher den aktuellen Indien-Chart-Song erklingen. So fuhren wir voll beschallt unserem Ziel  - der heiligen Stadt Varanasi - entgegen.
Wir streckten vorsichtig unsere müden Glieder, alles tat weh, denn die Sitzbank war dermaßen unangenehm, dass wir kaum noch sitzen konnten.
Wir aßen unser restliches Obst, ein paar Knoppers und ein paar Bifis. Es gingen zwar auch in diesem Zug wieder Verkäufer mit Snacks und Getränken durch, aber wir waren immer noch bedient von der Nacht. Zu trinken gab es dazu nicht viel, denn die Zugtoiletten wollten wir möglichst meiden.
Endlich fuhr unser Zug in den Bahnhof von Varanasi ein.  Von dieser heiligen Stadt hatten wir schon viel gehört. Nicht alles war gut, aber alles war hochinteressant.
Varanasi wird auch Benares oder Kashi genannt. Sie ist eine der ältesten und dauerhaft besiedelten Städte der Welt, die auf eine 3000-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die Stadt liegt direkt am Ganges und ist eine der heiligsten Stätte der Hindus. Seit ca. 2500 Jahren strömen die Pilger hierher, um sich von ihren Sünden im Ganges frei zu waschen. Wer in Varanasi stirbt oder ein Bad im Ganges nimmt, durchbricht den ewigen Zyklus der Geburt und Wiedergeburt und die Seele wird frei.
Diese Stadt hat eine ganz eigene Atmosphäre und kaum einer kann sich ihr entziehen. Alles findet auf engstem Raum statt. Leben und Tod, lärmender Verkehr und Orte der Ruhe, Menschenmassen und meditierende Menschen, unzählige hungernde Bettler und schmuckbehangene, mit bunten Saris bekleidete Menschen – Überfluss und bittere Armut, alles auf einmal und alles nebeneinander.  Eine Stadt der Kontraste.
Doch zuerst mussten wir uns noch auf dem Bahnhof von Varanasi zurechtfinden, denn diesmal war niemand da, der uns abholte. Etwas verloren standen wir auf dem Bahnsteig, nachdem wir in Rekordgeschwindigkeit unser Gepäck ausgeladen hatten. Sofort fuhr der Zug weiter, aber er korrigierte den Halt nur etwas. Chris lief auf der Suche nach dem Guide zum Parkplatz vor dem Bahnhof, aber er kam ohne Erfolg zurück. Was tun, fragten wir uns? Wieder ließ Chris uns zurück und lief den Bahnsteig entlang, dort entdeckte er unseren Fahrer mit einem Namensschild, der vor dem richtigen Abteil stand, und uns nicht fand. Jetzt mussten wir nur noch schwerbeladen eine Treppen-Überführung schaffen, dann ging es mit dem Auto ins Hotel.
Während der Fahrt gab der Fahrer Uwe das Handy, wo unser Reiseleiter, der uns eigentlich am Bahnsteig erwarten sollte, dran war und ihm auf Deutsch etwas mitteilte, was Uwe unmöglich verstehen konnte.
Schon auf der kurzen Fahrt zum Hotel wurde uns eins klar, hier gab es noch dichteren Verkehr als anderswo. Alles was Beine oder Räder hatte drängte sich auf der Straße, es ging nur sehr langsam voran.
Das Hotel Ramada Plaza sah sehr gut aus. Alles wirkte neu und frisch. Marmor blitzte uns entgegen. Leider waren unsere Zimmer noch nicht bezugsfertig und wieder mussten wir warten. Dafür erschien jetzt endlich unser 72 Jahre alter Reiseleiter auf der Bühne. Zeit genug hatte er eigentlich, aber irgendwie hatte er die Morgentoilette vergessen und sein Gebiss dazu. Die Haare standen ihm wild vom Kopf und nur Zahnreste ragten aus seinem Mund, als er uns angrinste. Dafür sprach er umso mehr in einem unverständlichen Deutsch auf uns und insbesondere Uwe ein, den er ständig anfasste.  Er wollte unseren gesamten Reiseplan umwerfen und ihn nach seinen Vorstellungen gestalten, doch damit waren wir überhaupt nicht einverstanden, denn uns war es wichtig viel von der Stadt zu sehen und insbesondere die Ghats (Treppen, die zum Wasser führen) zu erkunden.
Der Reiseleiter blieb stur bei seiner Ansicht und ging wieder. Um 15 Uhr sollte unser Programm starten. Wir waren irgendwie alle überfordert von diesem dreisten Mann. Chris und Uwe holten uns erst einmal einen Mittagssnack, den wir in der Hotellobby zu uns nahmen. Wir waren alle müde und geschafft und beratschlagten wie wir uns dem Reiseleiter gegenüber verhalten sollten. Uwe telefonierte mit der Reiseagentur und beschwerte sich. Uns wurde ein anderer Reiseleiter versprochen, der Beste ist für uns - wurde betont.
Zum Glück war unser Zimmer um 12.30 Uhr bezugsfertig. Normalerweise wäre erst um 14 Uhr Check In gewesen. Dankbar suchten wir unser Zimmer auf und ich fiel sogleich aufs Bett, während Chris an den Pool ging.
Um 15 Uhr fanden wir uns wieder in der Lobby ein. Der gleiche Reiseleiter erwartete uns, doch er war etwas gedämpfter und freundlicher. Begeistert waren wir nicht, aber leider bekamen wir auch keine Rückmeldung von unserem Veranstalter, bei dem wir uns beschwert hatten und so versuchten wir die Situation als Herausforderung zu sehen.
Wir begannen das ‚Programm’ mit einer Stadtrundfahrt, in dem wir durch den Wahnsinnsverkehr ans andere Ende der Stadt fuhren. In seinem schlechten Deutsch erklärte er uns, dass das die Stadtrundfahrt lt. Programm ist. Leider weigerte er sich auf unsere Bitte Englisch mit uns zu reden, da wir sein Deutsch fast gar nicht verstehen konnten. Er möchte sein Deutsch verbessern und er hat ja schließlich am Goethe Institut studiert. Was sollten wir dazu noch sagen?!
Wenigstens hielten wir am Assi Ghat, dem südlichsten Ghat von Varanasi und schauten es uns an. Kinder kamen bettelnd näher oder wollten uns auf dem Weg zum Ghat etwas verkaufen.
Am Fluss war nicht viel los, aber während Festivals sollen sich mehr als 2500 Leute auf den Treppenstufen, die zum Ganges führen tummeln. Jetzt am Nachmittag waren wir fast alleine. Schön war der Blick am Ufer entlang zur Stadt. Schon hier sahen wir, dass sich die Ghats aneinanderreihen, die das ganze Ufer der Stadt mit ihren Treppenstufen säumen. Die Ghats dienen den Hindus als Badestellen für rituelle Waschungen, die hauptsächlich in den Morgenstunden durchgeführt werden. Jetzt waren nur wenige Menschen da und saßen am Ufer mit Blick auf die Stadt.
Wieder drängten wir uns durch den Verkehr zurück in die Stadt. Diesmal schleppte uns Ranjit das Schlitzohr, wie wir ihn insgeheim nannten, da er uns nie seinen Namen richtig sagte, durch die engen Gassen eines lokalen Marktes. Alles war verwinkelt und so eng, dass wir uns mehr durch das Geschehen kämpften, als dass wir etwas davon mitbekamen. Hier roch es auch sehr eigenwillig. Menschenmassen drängten sich an uns vorbei und schoben uns fast die Wege entlang. Immer wieder kamen wir an kleinen Tempeln vorbei, die von Polizisten bewacht wurden. Viel bekamen wir nicht erklärt. Unser Ranjit war schlecht zu Fuß und ihm gehörte jede Toilette, die wir nach der Tour alle kannten.
Endlich kamen wir wieder aus dem Gedränge heraus. Jetzt ging es zum Hauptghat, doch dahin konnten wir nicht mit dem Auto fahren, sondern mussten über einige große Verkehrskreuzungen zu Fuß gehen. Das war eine Herausforderung. Der Verkehr war dicht und floss ständig, das laute Hupen war allgegenwärtig. Hier sahen wir auch zum ersten Mal einen Verkehrspolizisten der ganz gelassen das Chaos ordnete. Mitten in dem Gewusel aus Tuk Tuks, Fahrrad-Rikschas, Autos, LKWs und Mopeds gingen seelenruhig Kühe spazieren. Auch wir bahnten uns immer wieder einen Weg durch das Gedränge.
Kurz vor dem Ghat war die Straße dann für Autos gesperrt, nur Mopeds und Fahrräder kamen noch durch. Auf dem Weg zum Fluss und auf den Stufen zum Ghat saßen viele Bettler.
Am Dashashwamedh Ghat schauten wir uns etwas um. Chris wurde aufgrund seines 5-Tage-Bartes immer wieder zu einer Rasur aufgefordert. Irgendwann sagte er zu einem Barbier mit einem Schmunzeln: „I like it.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, als neben ihm ein Inder vor Lachen fast zusammenbrach.

Am Ghat wurde schon für die Ganga-Aarti-Zeremonie dekoriert. Etliche der zentralen Plätze waren schon belegt. Auf unsere Frage, wo denn die besten Plätze für die Zeremonie seien, schüttelte unser Schlitzohr nur den Kopf. Das wisse er nicht. Er ließ uns stehen und zog sich mal wieder auf eine Toilette zurück. Den Rest des Abends war er nicht mehr gesehen und erst als es zurück zum Auto ging, tauchte er aus der Versenkung oder der Toilette wieder auf. Unser erster Eindruck von diesem Mann hatte sich leider bestätigt und wir waren sehr enttäuscht. Zu gerne hätten wir etwas über die Stadt oder die Zeremonie am Abend erfahren, aber aus unserem Ranjit war nichts rauszukriegen.
Rechts von den Priesterplattformen hatte sich ein Fernsehteam aufgestellt, daraus schlossen wir, dass das gute Plätze sein müssten. So setzten wir Frauen uns auf eine Mauer, wo es runter zu den Booten ging und unsere Männer bauten ihre Stative dahinter auf.
Die Plätze für das Aarti wurden mit orange-gelben Blütenblättern bestreut und auch andere Utensilien wie eine Muschel, ein Pfauenfederfächer, verschiedene Behälter mit Wachs, Räucherstäbchen und anderes wurden liebevoll arrangiert.
Kurz vor dem Aarti wurden um die Plattform herum Teelichter angezündet, dann läutete feierliche Musik die Zeremonie ein. Die Musik war melodisch schön und ging voll unter die Haut. Sieben junge hinduistische Priester in goldschimmernden Gewändern sangen zuerst gemeinsam und nahmen dann einzeln Aufstellung auf den blütengeschmückten Flächen. Sie veranstalteten eine Zeremonie der Extraklasse. 45 Minuten zogen sie uns voll in ihren Bann, begleitet von der schönen Musik und Glockengeläute. Mit Weihrauch, Räucherstäbchen,  Feuer und vielem mehr wurde die Mutter Ganga geehrt. Wir waren mittendrin und völlig begeistert.
Der ganze Platz war zum Bersten gefüllt, neben ein paar Touristen waren es hauptsächlich Pilger, die der Zeremonie beiwohnten. Ob vom Land oder den unzähligen Booten aus, jeder bekam etwas geboten, denn die Priester drehten sich einmal im Kreis und machten zu jeder Seite ihre Rituale. So verflog die Zeit regelrecht. Völlig gebannt machten wir uns am Ende der Zeremonie mit vielen hunderten Menschen auf den Rückweg.
Wir mussten wieder einen Fußmarsch durch die Stadt machen und dabei zwei riesige Kreuzungen überqueren. Jetzt, da der touristische Teil vorbei war, merkte man unserem Ranjit nichts mehr von seinem gebrechlichen Alter an und wie ein junges Reh preschte er voran. An einer Kreuzung, wo sich besonders viele Autos stapelten sprang er behände durch ein paar Rikschas, stieß Fahrräder etwas zur Seite und war flink auf der anderen Seite. Chris hechtete ihm nach. Ich blieb unschlüssig stehen, denn das war mir definitiv eine Nummer zu groß und ich sah mich schon kopfüber in einer Rikscha landen. Hilflos schaute ich mich zu den anderen Beiden um. Uwe unser Held lief nicht davon, sondern hielt wie ein Gentleman gleich mehrere Räder und Mopeds auf und bugsierte uns Frauen auf die andere Seite der Straße. Hinter uns schloss sich sofort der Korridor und der Verkehr dümpelte laut hupend unaufhaltsam weiter. Wir hatten es ohne Stunteinlagen sicher auf die andere Seite geschafft.
Wir waren erschöpft und müde, denn der Tag war einfach nur lang und anstrengend und so war dieses Chaos fast zu viel des Guten.
Zurück im Hotel gingen wir in das hauseigene Buffetrestaurant und speisten gemütlich bis eine riesige Gruppe buddhistischer Mönche – Männer und Frauen – wie Heuschrecken über das Buffet herfielen. Das war dann unser Marschbefehl und wir fielen nach diesem laaaangen Tag in unsere Betten.

Übernachtung: Hotel Ramada Plaza, Varanasi

Samstag, 03.03.2012
15. Tag

Um 5.45 Uhr wurden wir von unserem Ranjit vom Hotel abgeholt. Es war noch kühl und die Dämmerung hatte gerade erst eingesetzt. Wieder fuhren wir zum Dashashwamedh Ghat. Hier erlebten wir einen der interessantesten und fremdartigsten Morgen unserer Reise.
Wir gingen zusammen mit Ranjit, der sich gegen die Kälte des Morgens einen karierten Schal um den Kopf gewickelt hatte und dementsprechend seltsam aussah, auf ein Boot und schauten uns vom Fluss aus die heiligen Wasch- und Badezeremonien der Pilger an.
Kurz vor Sonnenaufgang legten wir ab. Weit kamen wir jedoch nicht, denn die ersten Hindus hatten schon damit begonnen, sich zu waschen und danach ihre Saris im heiligen Gangeswasser zu reinigen.
Insbesondere ältere Frauen wuschen sich die Füße, steckten sich die Finger in den Mund, um die Zähne zu putzen oder tranken das Wasser. Einige sprangen gleich beherzt in die Fluten. Zwei junge Männer fielen mir besonders auf, denn sie standen mitten im Wasser, die Hände zum Gebet gefaltet, bespritzten sich mit dem Wasser und tauchten dann kurz in den Ganges ein.
Etwas weiter weg saßen Frauen und wuschen ihre Saris. Andere Menschen  standen ehrfurchtsvoll vor dem Wasser mit geschlossenen Augen und beteten. Ich wusste vor lauter Aktivitäten gar nicht so recht, wo ich zuerst hinschauen soll.
Es war überaus interessant und absolut anders als alles was wir bisher gesehen hatten und doch fühlte ich mich ein wenig wie ein Eindringling, denn diese Szenen hatten etwas so Intensives und Privates, dass ich mir etwas fehl am Platze vorkam. Den Menschen war es wohl so ziemlich egal, denn sie lachten uns freundlich an und gingen weiter ihren Ritualen nach ohne dass man das Gefühl hatte, sie zu stören. Sie waren glücklich denn sie durchbrachen ja den ständigen Zyklus der Wiedergeburt.
Langsam ging die Sonne über dem Ganges auf. Ein oranges Leuchten lag auf dem Wasser und die Boote spiegelten sich darin.
In Varanasi gibt es über 80 verschiedene Ghats zwischen Assi und Varuna. Häuser säumen die Ghats. Überall wurden die Bade- und Waschrituale durchgeführt. Oftmals füllten sich die Frauen auch etwas vom heiligen Wasser in Plastikflaschen ab.
Unzählige Boote schipperten auf dem Wasser dahin. Die Sonne beleuchtete mittlerweile die Menschen und es wurde langsam wärmer.

Wir fuhren zu den Verbrennungsghats. Hier stapelten sich Holzstämme überall, ob in Booten oder an Land. Wieder suchten Hunde in den zusammengekehrten Resten nach Fressbaren. Ich schaute lieber nicht genauer hin. An einem Boot trieb ein Tierkadaver im Wasser.
Von der Flussmitte war es erlaubt Bilder vom Verbrennungsghats zu machen, ansonsten sollte man gerade vom Land aus die Privatsphäre akzeptieren und keine Bilder von den Verbrennungen machen. Als wir uns alles anschauten, kamen Männer, die feierlich einen mit Tüchern bedeckten Toten trugen und ihn zu einem Verbrennungsplatz brachten. Hier wird er eingeäschert und die Asche wird ein weiteres Mal rituell verbrannt und dann dem Ganges übergeben. Dem Träger der Asche wird der Kopf rasiert und so sahen wir in Varanasi viele kahlköpfige Männer. Schwangere Frauen und Babys dürfen nicht verbrannt werden und werden unterhalb des Verbrennungsghats dem Fluss übergeben. Zum Glück sahen wir keine menschlichen Überreste im Ganges treiben, nur Blütenblätter und Blumenschiffchen.
Witzig fand ich die ‚fliegenden’ Händler, die mit ihren Booten Souvenirs und die Aarti-Musik anboten. Einer hatte sogar einen Fernseher auf seinem kleinen Boot, den er mit Batterie betrieb.
Zwischen dem ganzen Gewusel sahen wir auch immer wieder Menschen, die völlig entrückt meditierten. Es war unglaublich wie losgelöst diese Menschen trotz des ganzen Lärms um sie herum waren. An einem Ghat konnten wir sogar noch ein Hochzeitspaar beobachten. Sie farbenfroh und schön geschmückt mit Schleier und er festlich gekleidet – so wurden sie von den Müttern mit dem Gangeswasser bespritzt. Das gibt sicher eine heilige Ehe von Mutter Ganga gesegnet.
Unter der Fahrt bekamen wir dann noch von unserem Schlitzohr eine Geschichte erzählt von dem armen Bootsfahrer, dem wir 200-250 Rupien geben müssten, da sein Boss alles an Geld für die Fahrt einkassiert. Logisch, dass er mit dieser Mitleidsgeschichte bei uns auf offene Ohren traf und uns so listig die gesamte Bootsfahrt inklusive Trinkgeld bezahlen ließ. Leider merkten wir es erst hinterher, als wir uns mit anderen Touristen unterhielten und im Reiseführer nachgeschaut hatten. Die Bootstour war trotz des Ärgernisses ein besonderes Erlebnis, das wir auf keinen Fall missen möchten.
Danach schlenderten wir noch etwas durch die Ghats und betrachteten die Menschen vom Land aus. Heilige Männer und Scharlatane, Gläubige und Pilger, Touristen wie wir und Aussteiger alles war hier anzutreffen. Die Zeit verflog nur so.

Unser Fahrer brachte uns später ins Hotel zum Frühstücken. Um 10 Uhr ging es dann schon wieder weiter. Wir besuchten eine Brokatweberei, wo noch auf altertümliche Weise Saris hergestellt werden. Für 6 Meter Stoff benötigt der Arbeiter an der Webmaschine ca. 2 Monate. Es war faszinierend, wie hier noch in Handarbeit die Stoffe gewoben wurden. Wunderschöne Hochzeitssaris und andere wertvolle Stoffe entstehen so auf traditionelle Weise.
Anschließend ging es in den Verkaufsraum, wo uns wunderschöne Arbeiten vorgelegt wurden. Logisch, dass einige tolle Schals aus Pashmina und Seide in unseren Besitz überwechselten. Etwas ungeschickt fanden wir jedoch, dass unser Ranjit vor unseren Augen feierlich seine Provision kassierte.
Nach dem Einkaufsmarathon besuchten wir noch einen Hindu Tempel, den Mother India Tempel. Im Tempel war eine große dreidimensionale Plastik auf dem Boden, die Indien und die Anrainerstaaten darstellt.
Eigentlich meinte unser Schlitzohr wäre nun sein Job vorbei. Auf unsere Bitte hin, abends noch einmal von einem Fahrer zur Aarti-Zeremonie gefahren zu werden, meinte er, dass wir doch eine Rikscha nehmen könnten. Doch der Verkehr war uns hier einfach eine Spur zu heftig und so konnten wir uns nach einigem Hin und Her auf einen Fahrer einigen, der uns abholte und später wieder ins Hotel zurückbringen würde.
Bis zum Abend hatten wir noch ein paar Stunden Zeit, die wir am Hotel verbrachten. Da es im Hotel horrende Preise für das Internet gab (441 Rupien, ca. 6 Euro die Stunde) gingen wir auf gut Glück in die Einkaufspassage, die direkt neben unserer Unterkunft lag. Dort gab es zahlreiche Geschäfte, wie auch einen McDonald´s und Pizza Hut. Mit etwas Glück und suchen fanden wir ein kostenloses WIFI bei einem kleinen Imbiss, der leckeren Cappuccino anbot.
Gegen 16 Uhr holte uns ein neuer Fahrer vom Hotel ab, da unser alter Fahrer angeblich von der Polizei verhaftet wurde. So sagte es uns zumindest unser Schlitzohr, der zu unserer Verwunderung doch noch einmal dabei war und uns den neuen Fahrer vorstellte. Aber was war auf einmal mit dem Reiseleiter passiert? Er sah 10 Jahre jünger aus und hatte doch tatsächlich Zähne im Mund. Seine Kleidung war ordentlich. Noch mehr drängte sich uns der Gedanke auf, dass er uns eine Theatervorstellung der Extraklasse geboten hatte.
Wir fanden es einfach nur schade, denn Varanasi war so eine interessante Stadt, die so viel zu bieten hatte, aber leider nicht mit diesem Herrn.  Egal, wir trauerten etwas dem Interesse und Wissen von Pauls und Manju nach, die uns gezeigt hatten, dass es in Indien nicht nur ums Geld geht, sondern die uns ihr Land und ihre Kultur näher gebracht hatten und uns ein angenehmes Bild von ihrem facettenreichen Land gezeigt hatten.
Bei seiner Wohnung verabschiedete sich unser Schlitzohr endgültig von uns und lobte uns in Oberlehrermanier sogar noch dafür, dass wir ihm doch noch ein kleines Trinkgeld gaben, das wir ihm daraufhin am liebsten wieder abgenommen hätten. Ganz ehrlich, wir waren froh, diesen unangenehmen Menschen endlich los zu sein und freuten uns auf einen weiteren Abend an den Ghats.

Diesmal waren wir noch eher dran, aber wieder waren schon etliche Plätze belegt. Wir setzten uns wieder auf die Mauer und schickten unsere Männer zum Fotografieren. Leider waren die ‚heiligen’ Männer hier zum Teil etwas unverschämt und verlangten extrem hohe Preise für ein Bild.
Während die zwei sich vergnügten, beobachteten wir von der Mauer aus wieder das Geschehen. Blumenhändler boten die blumengeschmückten und mit Teelichtern bestückten "Gangesschiffchen" an, kleine Mädchen wollten einem Stempel auf die Hand machen oder Bildchen verkaufen. Es war ein ewiges Kommen und Gehen. So langsam wurden die Plattformen der Priester wieder vorbereitet. An diesem Abend wurden sie mit roten Rosenblättern ausgelegt.
Leider wurden wir von unserem Platz verscheucht, da Ehrengäste kommen würden. Jedenfalls wurden Stühle aufgestellt und wir durften dahinter Aufstellung nehmen. Kurz vor Beginn der Zeremonie nahm auf den Stühlen eine Familie Platz und wohnte der Zeremonie bei. Live-Musik erschallte über den Platz und die jungen Priester nahmen Aufstellung. Zu unserer Freude kam direkt zu der Familie und damit auch zu uns ein sehr ansehnlicher junger Priester. Er bot uns eine tolle Show mit viel Feuer und Rauch und wunderschöner klangvoller Musik. Wir waren wie schon am Vortag mehr als verzaubert.
Zurück ging es wieder über die vollen Straßen Varanasis, die uns an diesem Abend jedoch weniger schlimm vorkamen. Wir fanden unseren Fahrer auf dem verabredeten Parkplatz und er brachte uns ins Hotel zurück. Dort probierten wir das chinesische Restaurant aus. Wir wurden aufs Beste von einem absolut netten Kellner verwöhnt, der uns im Laufe des Abends erzählte, dass er aus Amritsar stammt. Das Essen war extrem gut und so gingen wir später satt und zufrieden auf unser Zimmer.

Übernachtung: Hotel Ramada Plaza, Varanasi

Sonntag, 04.03.2012
16. Tag

Nach einem guten und reichhaltigen Frühstück wurden wir um 9 Uhr von unserem Fahrer vom Hotel abgeholt und zum Flughafen von Varanasi gebracht. Der Flughafen liegt etwas außerhalb, wir brauchten ca. 40 Minuten bis dorthin. Der Flughafen wurde erst vor 9 Monate fertig gestellt und alles war noch neu und modern. Schon vor der Eingangstür wurden wir kontrolliert und nur Fluggäste mit einem gültigen Ticket durften passieren.
Da unser Flieger erst um 12.50 Uhr ging, schauten wir uns noch etwas auf dem lichtdurchfluteten Flughafen um, beobachteten Reisende und warteten.
Am Schalter erfuhren wir, dass unser Gepäck nur 20 kg haben durfte und wir hatten mit 23 kg gerechnet. So kamen wir schnell auf ca. 10 kg Übergepäck und mussten dafür nachzahlen. Ich war anfangs so sauer, dass ich noch mal umpacken wollte, aber dafür hätten wir uns wieder von vorne anstellen müssen und auch die Koffer hätten noch einmal durch die Sicherheitskontrolle gemusst. Zähneknirschend gab ich nach und wir zahlten ca. 25 € für das Übergepäck. Das war ja noch relativ human, aber trotzdem ärgerte es mich, zumal das Handgepäck nicht limitiert war und niemanden interessierte. Jetzt mussten wir noch durch die Sicherheits-Personenkontrolle. Zuerst ging es langsam in Zweierreihe vorwärts, bis wieder Männer und Frauen getrennt abgefertigt wurden. Wieder musste alles vom Gürtel bis zur Kamera auf ein Band. Danach trennten sich unsere Wege. Ich wanderte brav nach rechts während Chris nach links ging. Wir Frauen mussten in eine Kabine, wo wir  noch einmal abgescannt wurden, während die Männer auf ein kleines Podest steigen mussten und dort abgescannt wurden. Die Sicherheitskontrolle war sehr gründlich und so hatten wir ein gutes Gefühl. Ganz wichtig war, dass jedes Gepäckstück einen Jet Airways Anhänger hatte, der von dem Sicherheitspersonal abgestempelt werden musste. Ohne diesen Stempel hätte das Gepäckstück nicht an Bord gebracht werden dürfen.
Wir schlenderten noch etwas durch die Flughafengeschäfte, als auf einmal ein Soldat auf uns zuläuft. Was hat der denn da in der Hand? Da hat wohl ein Tourist sein Laptop in der Sicherheitskontrolle vergessen, grinsten wir.  Doch auf einmal kommt Bewegung in Chris, er rennt zu unserem Gepäck. Ups, das Laptop war wohl unseres! Dankbar nimmt er es entgegen und bedankt sich vielmals bei dem aufmerksamen Beamten.
Noch während des Wartens auf den Flieger, der sich etwas verspätet hatte, lernten wir ein sehr nettes deutsches Paar kennen, das ebenfalls individuell unterwegs war. Sie warnten uns vor dem Essen im Flieger, da die Frau das letzte Sandwich nicht vertragen und so die Nacht auf der Toilette verbracht hatte. Gut zu wissen, so lehnten wir jedes Essen ab und tranken nur etwas Wasser. Trotzdem ging es Chris nicht so gut an diesem Tag, was er jedoch anfangs auf die Nervosität vor dem Flug schob.

Schon bald lag Varanasi unter uns und wir flogen unserem heutigen Ziel, der Stadt Khajuraho entgegen. Schnell waren wir über dem Dunst und konnten leider nicht viel von der Landschaft unter uns erkennen. Vor Khajuraho klarte es jedoch wieder auf. Man merkte, dass hier viel weniger Verkehr ist und kaum Abgase in der Luft waren. Khajuraho ist eine relativ kleine Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern. Sie ist bekannt durch ihre Tempelanlagen, die ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Das Besondere an den Tempeln sind erotische Darstellungen aus dem 10.-12. Jahrhundert, die ein völlig anderes Bild vom Hinduismus zeigen.
Am Flughafen holte uns unser neuer Reiseleiter Soni ab und brachte uns zum Hotel Radisson Plaza. Das Hotel war richtig nett. Ein zweistöckiger weißer Bau - innen natürlich wieder mit viel Marmor und großen geräumigen Zimmern. Außen eine schöne Poolanlage mit Liegen und Schattenbäumen. Hier konnte man es echt aushalten.
Wir besprachen mit Soni noch den Tagesablauf und machten aus, dass er uns am Nachmittag mit einem Fahrer abholt und zu den westlichen Tempelanlagen bringt, die wir an diesem Tag gerne alleine erkunden wollten. Für den nächsten Tag sollten wir einen deutschsprachigen Führer bekommen, der uns die Anlage erklärt.

Um 15 Uhr ging es bei brütender Hitze los. Soni begleitete uns bis zum Eingang und nach einer Durchsuchung unserer Taschen durften wir ins Innere der Anlage. Auf einer Gesamtfläche von ungefähr 21km² gab es einstmals ca. 80 Tempel von denen man heutzutage noch ca. 20 besichtigen kann. Die meisten Tempel sind den hinduistischen Göttern – meist Shiva als dem ‚Herrn der Welt’ - geweiht.
In einer sehr gepflegten Gartenanlage lagen die Tempel der Westgruppe vor uns, die während der Herrschaft der Chadella Dynastie entstanden. Sie regierte fünf Jahrhunderte lang, bevor sie dem Islam zum Opfer fiel.
Hier hat man die Möglichkeit auf kleinstem Raum die Entwicklung der indischen Baukunst in einem Zeitrahmen von ca. 100 Jahren zu betrachten. Aus Anfangs kleinen einräumigen und geschlossenen Bauten, entwickelten sich große mehrräumige Tempel.
Alle Tempel wurden auf 1,5 bis 3 Meter hohen Plattformen gebaut, zum Schutz gegen den Monsun und vor Tieren. Sie besitzen des weiteren eine Sockelzone, die einfach bis mehrfach gestuft wurde und auch noch einmal bis zu 3 Metern hoch sein kann.
Fast alle Tempel, bis auf wenige Ausnahmen, sind nach Osten zur aufgehenden Sonne ausgerichtet. Begeistert durchstreiften wir die Anlage, die Skulpturen waren zum Teil extrem gut erhalten und besonders die ‚Himmelsmädchen“ und die Elefanten zogen unsere Blicke auf sich. Aber auch die Dächer der Tempel waren wunderschön gebaut und verziert. Auf ihnen saßen meist Vögel, die in der Thermik segelten.
Als ersten Tempel besichtigten wir den Vishwanath-Tempel, der ca. 1000 n.Chr. gebaut wurde. Die Stufen zum Tempel auf der Nordseite flankieren Löwen und auf der Südseite Elefanten. Im Tempel gibt es ein beeindruckendes dreiköpfiges Bild des Gottes Brahma.
Vor dem Vishwanath Tempel befindet sich ein Nandi-Tempel. In diesem Tempel steht ein massiver 6 Fuß hoher Nandi Bulle, den wir mindestens einmal umrundeten. Immer wieder musste ich den glatten kühlen Stein berühren.
Hier auf dem Gelände ging es sehr ruhig zu. Nur wenige Menschen außer uns besichtigten die Tempelanlage. Wirklich toll machten sich die hübschen indischen Frauen mit ihren bunten Saris vor den reich verzierten Tempeln. Auch hier mussten wir immer, wenn wir das Innere eines Tempels besichtigen wollten, die Schuhe ausziehen und barfuss durch das Innere laufen. Bei der Hitze des Tages war das jedoch sehr angenehm auf den kühlen Steinen zu laufen.
Sehr beeindruckend wirkte auch der Sandsteintempel Kandariya-Mahadeva auf uns. Er gilt als Höhepunkt der Baukunst von Khajuraho und besitzt den höchsten aller Shikhara-Türme. Shikara bedeutet ‚Gipfel’ oder ‚Bergspitze’ und soll als Abbild des Himalaya oder des Meru den Sitz der indischen Götter symbolisieren.
Er thront auf einer rechteckigen, ca. 3 m hohen Umgangsplattform, ist ca. 30 m hoch und besteht im Wesentlichen aus vier Bauteilen, die harmonisch ineinander übergehen: dem Portikus, der Vorhalle, der großen Vorhalle und der Cella. Die drei Vorhallen sowie der Umgangsbereich der Cella sind durch Brüstungsfenster nach außen geöffnet.
Der Tempel ist innen wie außen mit über tausend Figuren verziert, die weitgehend vollplastisch gearbeitet sind und kaum noch an dem dahinterliegenden Reliefgrund anliegen.
Meist sind Götterfiguren wie Shiva und Vishnu dargestellt, die von wunderschönen wohlproportionierten Mädchen flankiert werden. Auch hier sind wieder erotische Darstellungen zu finden. Aber man muss oftmals schon genau schauen, um sie zu entdecken.
Während unserer Zeitreise durch die indische Architektur längst vergangener Zeiten, die uns mit ihrer Offenheit und Freizügigkeit begeisterte, ging es Chris immer schlechter. Der Kreislauf fing an zu spinnen und der Darm meldete sich. Zum Glück gab es auf dem Gelände eine Toilette und wir machten immer wieder Pausen, damit er sich etwas erholen konnte.
Den ersten wirklich großen Tempelbau der Chandella Dynastie, den Lakshmana-Tempel, der ca. 930-950 n. Chr. erbaut wurde und dem Gott Vishnu als ‚Herrn des Paradieses’ geweiht wurde, musste ich dann fast alleine besichtigen. Chris setzte sich lieber in den Schatten der Vorhalle und ruhte etwas aus. Dieser Tempel war damals der größte Tempel in ganz Indien. In den Ecken der Plattform stehen vier Begleitschreine und vervollständigen das Bild einer kompletten nordindischen Tempelanlage. Auch dieser Tempel war wieder komplett aus Sandstein und ca. 20 m hoch.
Hier fielen mir besonders die vielen Elefanten auf, die von jeweils zwei Mahuts flankiert sind. Die vielen Elefanten tragen sozusagen den gesamten Tempel auf ihrem Rücken. Auch hier waren wieder viele Götterfiguren, Liebespaare und Himmelstänzerinnen und ein paar erotische Szenen zu finden.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu und mit Sonnenuntergang mussten wir die Parkanlage verlassen. Unser Fahrer wartete auf uns und brachte uns ins Hotel zurück.
Chris ging es gar nicht mehr gut. Ihm war übel und so verzichteten wir auf das Abendessen. Im Laufe des Abends wurde es immer schlimmer und so war unsere Toilette bald Chris' liebster Ort. Etwas Fieber bekam er auch noch.
Als es ihm etwas besser ging packte ich ihn ins Bett und verordnete Nachtruhe, denn Schlaf ist ja bekanntlich die beste Medizin.

Übernachtung: Radisson Hotel Khajuraho

Montag, 05.03.2012
17. Tag
Mein erster Gedanke galt an diesem Morgen Chris, doch ihm ging es zum Glück etwas besser. Der Schlaf hatte ihm gut getan und er wollte mit zur geführten Tour in die West-Tempelgruppe kommen. Ganz anders sah es bei Kerstin und Uwe aus. In der Nacht hatte es nämlich auch Uwe erwischt und er war an diesem Morgen nicht fähig, mit uns zu kommen. Kerstin wollte ihn im Auge behalten und so fanden wir uns am frühen Morgen alleine in der Rezeption ein. Soni war sehr besorgt und wollte mehrmals einen Arzt holen, aber das war nicht nötig, versicherten wir ihm. So übergab er uns in die Hände des deutschsprechenden Führers und wir fuhren noch einmal zur westlichen Tempelgruppe. Da wir uns fotografisch schon am Vortag ausgetobt hatten, konnten wir nun den sehr interessanten Erzählungen des Guides folgen. Chris war eh noch zu schwach und so machte ich ein paar Bilder. Einige Szenen hätten wir alleine sicher nie gefunden und es war hochinteressant den Ausführungen in einem sehr guten Deutsch zu lauschen. So erfuhren wir, dass der Hinduismus eine extrem freizügige Kultur war und erst mit Einzug des Islams so wurde, wie er heute ist. Die obersten Heiligen liefen nackt herum und auch erotische Szenen waren völlig normal. So schlenderten wir im ersten Licht des Tages die verschiedenen Tempel ab und bewunderten die Geschicklichkeit der Künstler. Besonders die schönen Mädchen fielen uns immer wieder auf, so schauten einige in einen Spiegel, kämmten sich die Haare, andere lasen Liebesbriefe oder spielten Musikinstrumente, wieder andere standen einfach nur da - alles in vollendeter Anmut mit langen Beinen und perfekten Proportionen. Das Sinnbild der Schönheit längst vergangener Tage in einer ungewohnten Freizügigkeit.
Besonders interessant fanden wir einen Elefantenfries mit erotischer Szene am Lakshmana-Tempel. Alle Elefanten schauen nämlich immer diskret geradeaus, nur einer nicht. Er beobachtet ganz ungeniert ein Liebespaar und hatte dabei seinen Mahut zu Boden geworfen. Diese Szene wurde zwar bei Instandhaltungsarbeiten kopiert, aber der Fries, der uns gezeigt wurde, ist der einzige wirklich überlieferte auf dem Gelände.
Chris war zwar schwach, aber er hielt sich wacker, auch wenn es ihn einiges an Kraft kostete. Auch an diesem Morgen war es schon wieder sehr warm und es versprach ein heißer Tag zu werden. Mittlerweile vermuteten wir, dass unsere Männer einen leichten Sonnenstich hatten, denn uns Frauen ging es sehr gut.
Pünktlich zum Frühstück brachte uns unser Führer zurück zum Hotel. Uwe ging es noch immer sehr schlecht und darum verzichtete er aufs Frühstück. Zu dritt ließen wir es uns schmecken. Danach fuhren wir mit unserem Guide zur östlichen Tempelanlage, den Jain-Tempeln, die von einer Mauer umgeben sind. Hier besichtigten wir unter anderem den Parsvanath-Tempel. Er ist der größte Tempel innerhalb der Mauer. Auch wenn er weniger groß als die Tempel der Westgruppe ist, so hat er doch einige bemerkenswerte Skulpturen, wie ein Mädchen, das sich einen Dorn aus dem Fuß zieht oder ein anderes Mädchen, das sich schminkt. Hier fielen mir besonders zwei liebenswerte Hunde auf, die uns eine ganze Zeitlang begleiteten. Diese treuen Hundeaugen konnten einem schon unter die Haut gehen und am liebsten hätten wir den ein oder anderen eingepackt und mitgenommen.

Danach fuhren wir noch zum südlichen Duladeo-Tempel. Er liegt etwas abseits und ist Khajurahos jüngster Tempel. Er kann nicht wirklich mit seinen westlichen und östlichen Brüdern konkurrieren, aber er liegt sehr schön in einer gepflegten Gartenanlage und hat die üblichen schönen Mädchen und erotischen Szenen zu bieten. Am Eingang saßen diesmal sogar Schlangenbeschwörer, aber wir wollten zuerst einmal den Tempel besichtigen, danach waren sie dann leider weg.
Da die Sonne mittlerweile mit voller Kraft vom Himmel schien, reichte es uns für diesen Vormittag. Chris war einfach platt und ein netter Nachmittag am Pool wäre genau das Richtige für ihn. Als wir zurückkamen lag Uwe schon im Schatten der Gartenanlage und wir gesellten uns zu ihm. So dösten wir vor uns hin und genossen das Nichtstun.

Am Abend hatten wir dann doch alle bis auf Uwe Hunger. Kerstin hatte in ihrem Reiseführer ein nettes italienisches Lokal gefunden, das wir uns näher anschauen wollten. Mit der Aussicht auf eine Pizza konnten wir zumindest Chris locken und so brachte uns unser Fahrer zu der Gaststätte ‚Mediterrano‘. Sie lag nahe der Westtempelgruppe und wir nahmen auf der Dachterrasse Platz. Von hier oben hatten wir eine schöne Aussicht auf das Treiben in der Hauptstraße, auch wenn es immer noch sehr warm war schmeckte die Pizza bestens. Zurück zum Hotel ging es mit einem Tuk Tuk. Während Chris sich vorne zum Fahrer quetschte saßen wir hinten zu dritt und nahmen jede Straßenunebenheit wahr. Ein Spaß war es trotzdem. Respekt vor den Indern, die sich mit bis zu 14 Personen in so ein Gefährt stapeln, wobei die sicher keinen Spaß mehr dabei haben.
Damit die Männer wieder richtig fit werden gingen wir an diesem Tag früh zu Bett, denn am nächsten Morgen sollte es ja in den Bandhavgarh Nationalpark gehen.

Übernachtung: Radisson Hotel Khajuraho

Dienstag, 06.03.2012
18. Tag

An diesem Morgen ging es auch Uwe wieder gut, so dass ihm sogar sein Frühstück schmeckte. Um 7 Uhr wurden wir von einem Fahrer im Hotel abgeholt - wie immer mit einem Toyota Innova. Unser Gepäck war gleich verstaut und wir nahmen wie gewohnt unsere Plätze ein.
Kurz hinter Khajuraho standen wir mal wieder an einem Bahnübergang, doch diesmal waren wir fast alleine und konnten uns direkt an die Schranken stellen, um den Zug vorbeifahren zu sehen. Er kam, fuhr bis zu den Schranken und blieb genau vor uns stehen. Verwundert schauten wir uns an, dann stiegen auch noch Leute aus, bepackt mit zig Kisten und Koffern. Das sah fast nach einem Umzug aus. Als alles den Zug verlassen hatte, fuhr der Zug rückwärts und wir konnten den Bahnübergang passieren. Das nenn ich mal Service, ein ganzer Zug hält an der Straße, damit ein paar Menschen nicht so viele Umstände haben und ihre Sachen problemlos in ein Auto oder ähnliches schaffen können.
Die Strecke war sehr ländlich und so zogen unzählige Felder an uns vorbei; Zuckerrohr wurde angebaut und gleich vor Ort verarbeitet. Ziegeleien fielen schon von weitem durch riesige Schornsteine auf. Auf den Feldern waren immer wieder erhöhte Schattendächer, auf denen Menschen saßen und die Felder bewachten.
In der Nähe von Tigergebieten fiel uns auf, dass die Felder mit Dornengestrüpp gesichert waren. Doch ansonsten ging das Dorfleben seinen normalen Gang.
An den Dorfrändern waren meist Brunnen, aus denen Frauen und Mädchen Wasser schöpften und die Gefäße ganz afrikanisch auf den Köpfen zurück zu ihrem Haus transportierten.
Die Straße war relativ gut, zwar kamen immer wieder kurze Schlaglochabschnitte, aber dann war kilometerweit die Strecke super. Immer wieder sahen wir Hunde oder Kühe auf der Straße. Farbenfroh gekleidete Frauen liefen mit Brennholz beladen auf dem Teer, Kinder winkten uns vom Straßenrand aus zu, Eselskarren mit Ziegeln beladen kamen uns entgegen. So zog sich die Straße ländlich idyllisch über 240 km bis hin zum Bandhavgarh Nationalpark. Die letzten 10 km durch den Park waren eine wirklich fiese sehr enge Schlaglochpiste, sozusagen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf indisch. Nur in den Dörfern war der Teerbelag heil und wir konnten kurz verschnaufen, schon holperten wir weiter unserem Ziel, dem Bandhavgarh Nationalpark entgegen.
Dieses Tigerreservat mit einer Größe von 448 km², das zwischen den Vindhya- und Satpura-Bergen liegt, soll einer der schönsten Nationalparks Indiens sein. Die Landschaft wechselt zwischen dicht bewachsenen Sal-Wäldern, steilen Felshügeln und weit überschaubaren grasbewachsenen Wiesen in den Tälern.
Im Nationalpark  befindet sich eine zweitausend Jahre alte Festung und eine Statue von Gott Vishnu aus dem 10. Jahrhundert.
Der Bandhavgarh ist ein Nationalpark mit einer extrem hohen Tigerdichte und so soll man gute Gelegenheiten haben, Tiger in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten zu können.
Aber auch andere Tierarten wie Leoparden, Axishirsche, Sambar Hirsche, Nilgauantilopen, Wildschweine, Chinkara-Gazellen, Lippenbären, Rhesusaffen, Lemuren, Dschungelkatzen, Stachelschweine, Schakale, Füchse und Wildhunde leben in diesem einzigartigen Schutzgebiet. Wir waren gespannt, was uns erwarten würde.

Doch zuerst mussten wir unsere Unterkunft erreichen. Schon von den Bildern her hatte uns die Lodge ‚Tree House Hideaway‘ sehr gefallen, denn hier gab es Holzhäuser, die auf hohen Stelzen in die Bäume gebaut wurden. Das hatte uns schon mächtig vorab beeindruckt und so freuten wir uns sehr auf unseren Aufenthalt in dieser besonderen Lodge.

Begrüßt wurden wir von Erwin, dem Manager der Lodge, einem Holländer, der schon in Südafrika eine Lodge geleitet hatte. Er manage die Lodge seit ca. einem Jahr und habe seitdem einige Umbauten vornehmen lassen. So gestaltete er die die Rezeption mit dem Essbereich und die Bar im oberen Bereich neu und nicht umsonst hatte sie einen starken südafrikanischen Touch. Es war einfach toll hier und wir fühlten uns gleich wohl. Erwin begleitete uns zu unseren Häusern, deren Eingang man über eine Treppe erklimmen musste. Wow, der Bungalow war einfach nur toll -  liebevoll gestaltet und eingerichtet. Hier gab es alles was das Herz begehrt, nebst einem tollen Balkon mit Liegestühlen und direktem Blick in die Baumkronen bzw. dichten Bambussträucher. Vögel schwirrten umher, es zwitscherte und summte. Mehrere Raben wohnten wohl hier, denn sie saßen auf unserer Treppe und glucksten uns an. Alles war geräumig und offen. In der Mitte des Raums stand ein riesiges Bett, mit Kissen bestückt. Eine Couch lud zum verweilen ein und ein kleiner Schreibtisch stand für unseren PC bereit. Erwin warnte uns, ja nichts liegen zu lassen, denn für ein Mäuschen waren die Holzwände voller Astlöcher und Ritzen kein Hindernis. Selbst ein Kühlschrank und eine Klimaanlage fehlten nicht zu unserem Glück.
Nach einem schnellen Mittagessen ging es um 14.30 Uhr auf Tour, doch leider war wieder nur ein Fahrzeug reserviert, obwohl unsere Agentur extra zwei Jeeps bestellt hatte. Wie schon im Corbett Nationalpark war da wohl etwas schief gegangen und so musste für uns ein Jeep von außerhalb dazu geholt werden. Unser Fahrer war zwar etwas mufflig, aber er kannte sich gut aus und war sehr schnell. An der Parkverwaltung, wo wir uns mit den Pässen registrieren mussten, bekamen wir außerdem noch einen Führer zugeteilt, der sich für uns als Glücksgriff erwies. Er konnte super Englisch und hatte ein enormes Wissen vom Park und den Tieren. Zum Glück bekamen wir ihn auf Nachfrage für alle Safaris.
Dann ging es weiter zum Eingangstor, wo sich die Fahrer nebst den Gästen, also uns, wiederum registrieren mussten. Dazu sammelten sie sich vorne am Gate und gingen dann mit dem Ranger am Gate zu dem entsprechenden Auto. Die Schlange war ganz schön lang und alle Autos hatten anfangs die gleiche Strecke. Später teilten sich die Wege und je nach Zuteilung fuhr man in verschiedene Sektionen des Parks.
An diesem Nachmittag kamen wir nicht weit, denn nahe dem Eingangstor wurde in der Früh ein Tiger gesichtet, der immer noch im Gebüsch schlafen sollte. Na, die konnten uns ja viel erzählen, dachten wir uns. Immer wieder lauschte unser Guide und dann hörte er sogar etwas. Gebannt schauten wir in die gezeigte Richtung. Dort war zwar kein Tiger, aber eine Dschungelkatze ging in Richtung der warnenden Hirsche. Schade, dass sie so weit weg war. Eine Dschungelkatze hätte ich zu gerne aus der Nähe bewundert, denn an eine Tigerbegegnung glaubten wir eh nicht, auch wenn wir sie uns insgeheim erhofften. So verging die Zeit sehr langsam und wir warteten mit ca. 40 Gypsy-Jeeps an dem Wasserloch. Einige Jeeps waren so wie wir mit nur 2 Personen bestückt, aber die meisten anderen Autos waren bis zum Bersten mit 4-8 indischen Touristen gefüllt. Chipstüten machten die Runde und es wurde laut geredet.
Wie soll denn so ein Tiger kommen, fragten wir uns.
Auf einmal tat sich in den hinteren Reihen was, sollte da etwa ein Tiger unbemerkt herangekommen sein? Bei dem Krach der Leute wäre das sicher möglich, aber es war kein Tiger, sondern ein Parkmitarbeiter. Das skurrile an der Begegnung war, dass wir alle in den Jeeps auf den Tiger warteten, der im Gebüsch schlafen sollte und der Arbeiter auf seinem Rad an den Jeeps vorbeifuhr. Dementsprechend war auch die Belustigung der Massen.
Nach dieser witzigen Begegnung kroch die Zeit langsam dahin und es war sehr warm. Jetzt kommt der Tiger gleich zum Trinken, sagte unser Guide. Ja nee, ist klar – jetzt springt gleich der Tiger aus dem Busch und winkt uns zu… Doch dann tat sich was in dem dichten Buschgewirr und Warnrufe der Hirsche erklangen. Ein heilloses Durcheinander von anfahrenden Jeeps begann, denn jeder wollte seine Touris möglichst perfekt platzieren. Da schlug schon mal Metall aufeinander und es dauerte etwas bis sich das Metallknäuel zu dem wir auch gehörten entwirrt hatte. Endlich hatte jeder seinen Platz eingenommen und alle starrten in die Büsche. Dann hörten wir es deutlich knacken und ein orange-schwarzer Fellfleck wurde sichtbar. Wir trauten unseren Augen kaum, als aus den Büschen ein prächtiges Tigermännchen kam und anfangs genau auf uns zusteuerte. Er blieb stehen und schaute sich die Automassen aus 40 Jeeps etwas genauer an. Alle Kameras liefen auf Hochtouren, nun war kein Wort mehr zu hören. Ich glaube, neben uns hatten einige andere auch das Atmen vergessen so überwältigend war der Anblick dieser bildschönen Katze aus der Nähe.
Doch leider überlegte der Kater es sich anders und ging zielgenau zwischen anderen Autos hindurch auf das Wasserloch zu. Er querte die Straße und schon war er wieder unseren Augen entschwunden, da das Wasserloch etwas tiefer lag. Unser Guide steuert auf das hintere Ende des Wasserlochs zu und meinte, dass der Tiger höchstwahrscheinlich hier hinauf kommt. Also warteten wir wieder. Mittlerweile zweifelten wir nicht mehr an seinen Worten. Im Halbkreis hatten sich alle Jeeps um das Wasserloch aufgestellt und jeder hoffte, dass der Tiger an seiner Stelle auftaucht.  Immer wieder ließen wir unsere Blicke schweifen, als plötzlich nach einer gefühlten Ewigkeit das Gras wackelte und der Tiger genau auf uns zukam. Er  schaute uns kurz in die Augen und fauchte kurz in Richtung der Autos. Leider irritierte ihn die Blechlawine und er verschwand im Wald. Wir warteten kurz und fuhren dann zum Ende des Waldes, wo er vielleicht wieder hinaus käme. Doch diesmal änderte der Tiger sein Vorhaben und blieb am Wasserloch, er drehte sich um und legte sich oberhalb des Wasserlochs ins Gras und beäugte die Autos. Als wir unseren Irrtum bemerkten, fuhren wir sofort zurück, doch leider sahen wir ihn nur noch kurz liegen, dann erhob er sich und ging endgültig in den Wald. Unser Fahrer brauste vor und wieder warteten wir. Hinter dem Wald verlief eine niedrige Mauer aus groben Steinen, um das Parkende anzudeuten. Mehr hätte diese Mauer auch nicht bewirkt, denn sie war einfach viel zu niedrig. Gleich dahinter begannen die Felder der Bauern und auch die Weiden der Kühe. ‚Schaut, dort kommt der Tiger’, unterbrach unser Naturführer meine Betrachtungen. Ich sah erst einmal gar nichts. Wieder deutete er auf eine Stelle und wirklich, dort erkannte ich nach einigem Starren einen orange-schwarzen Fleck, der sich so nach und nach in einen Tiger verwandelte. Wieder betrachtete er die Autos und man sah eindeutig, dass es ihm zu viel war. Leicht gebeugt lief er an der Mauer entlang, bis er auf einmal geduckt lossprintete. Zuerst dachten wir, er wolle jagen, aber kein Hirsch war zu sehen. Angestrengt schauten wir uns um. Außerhalb des Parks ging direkt an der Mauer ein Mann entlang, der den Tiger in Panik versetzt hatte. Die wunderbare Katze verschwand auf Nimmerwiedersehen im nächsten Wald. Doch alle warteten. Unser Führer meinte, dass sich das nicht lohne, denn der Tiger sei verscheucht und würde erst irgendwann wieder zum Wasserloch gehen. So fuhren wir weiter und sahen noch ein wenig vom Park. Auch hier waren viele Salwälder, es war etwas hüglig und immer wieder konnten wir auf freien Flächen Hirsche entdecken. Dazu kam das warme Abendlicht. Wir waren nun fast alleine unterwegs. So gefiel es uns sehr gut, denn die Masse der Autos nervte uns gewaltig, zumal es immer viel zu laut war.
Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Wir mussten den Park pünktlich um 18 Uhr verlassen. Jeder Verstoß, ob gegen die Parkregeln, die angeordneten Strecken oder die Zeiten wurde streng bestraft. Dabei konnte es sogar zur Enteignung des Jeeps kommen und zu Gefängnisaufenthalten für Fahrer und Guide. Das fanden wir ganz schön heftig.

Zurück von der Tour wurden wir an der Lodge mit Tee oder Kaffee erwartet, dann gingen wir aufs Zimmer, um uns den Staub der vergangenen Stunden runterzuspülen. Davon hatten wir ja genug dabei, denn die Wege sind aus feinem Sand und bei jeder Wendeaktion oder auch beim anfahren staubte es mächtig. Um 20 Uhr gab es Abendessen, wir gingen schon etwas eher, denn in der Lappas brannte ein Lagerfeuer und außerdem wurden dort ein paar Snacks serviert. Während wir um das Feuer saßen und den aufregenden Nachmittag diskutierten, wurde mir irgendwie komisch. Meine Knie zitterten und mir wurde immer übler. Das Abendessen schaffte ich dann schon nicht mehr, dafür verbrachte ich den Abend auf der Toilette und später im Bett mit einem Eimer daneben. Keine Ahnung was das wieder war, aber an diesem Nachmittag war es sehr warm und wir standen viel in der Sonne. Getrunken hatte ich nicht viel, denn Toiletten gab es im Park nur auf ausgewiesenen Picknickplätzen. Vielleicht war es ja ein kleiner Sonnenstich.

Übernachtung: Tree House Hideaway, Bandhavgarh Tiger Reserve

Mittwoch, 07.03.2012 - Freitag, 09.03.2012
19.-21. Tag

In der Nacht hatte ich einigermaßen gut geschlafen und so wollte ich versuchen, mit auf die Safari zu gehen. Doch kaum stand ich auf den Füßen, wurde mir wieder übel und ich fing an zu schwanken. Da auch die Stirn ein wenig glühte, kuschelte ich mich traurig wieder ins Bett und wünschte Chris eine erfolgreiche Tigersichtung.
Irgendwann wachte ich auf, es war hell und die Sonne lachte vom Himmel. Vorsichtig kletterte ich aus dem Bett und wirklich, es ging mir besser. Ich hatte den Schlaf einfach gebraucht. Ich bekam sogar etwas Hunger und kochte mir einen Tee, dazu knabberte ich vorsichtig einen Keks, der auch dort blieb, wo er hingehörte. Das hatte ich wohl überstanden. Bald darauf kam Chris schon wieder. Leider hatte er nicht viel gesehen, ein paar Lemuren, Axishirsche, eine Eule und noch ein paar andere Tiere. Dafür fuhren sie heute eine andere Runde, die landschaftlich sehr schön war. Viele Hügel und Seen mit Weideland prägten das Bild, erzählte er mir. Leider war das auch die einzige Tour an diesem Tag, denn am Mittwochnachmittag sind alle Nationalparks in Indien geschlossen. So verbrachten wir eine erholsame Zeit auf unserem Balkon. Die Ruhe tat mir gut und ich schlief immer wieder, so dass ich abends völlig fit war. Leider hatte auch am nächsten Tag, an dem die Menschen das Holi-Fest feiern, der Park den ganzen Tag geschlossen. Schon in der Nacht hatten wir den Trommeln und Gesängen gelauscht, die uns in den Schlaf begleiteten.
So verbrachten wir einen sehr ruhigen Tag auf unserem Zimmer und genossen unseren Balkon in den Bäumen. Wir machten eine Wanderung zum Wasserloch, auf dem wunderschön die Seerosen blühten und ein paar Vögel kreisten. Ansonsten lasen wir unsere Bücher, tranken Tee und ließen es uns gut gehen.
Am Nachmittag wollte Chris noch ein paar Bilder von der Anlage machen und so ging er nach vorne zur Rezeption. Als er wieder kam, sah er lustig aus. Er hatte pinke und schwarze Farbe im Gesicht. denn als er nach vorne kam, sammelten sich gerade alle Angestellten und bemalten sich. Er bekam zwar auch was ab, aber er machte auch ein paar sehr nette Bilder von den Jungs. Später war der Spuk dann schon wieder vorbei und Chris machte noch ein paar  Bilder von der Anlage im Dunkeln.

Am nächsten Morgen bekamen wir Zone 2 zugeteilt, während Kerstin und Uwe in die Zone 1 fuhren. Richtig nett fanden wir die Wärmflaschen und Decken, die uns vom Personal gereicht wurden, denn es war morgens einfach empfindlich kalt auf dem offenen Jeep. Wir hatten zwar alles nach dem Zwiebelprinzip übergezogen, aber es reichte einfach nicht aus und so genossen wir die Wärme der Flaschen und die Decken über unseren Beinen.
Wir fuhren lange durch den Park und lauschten immer wieder nach Warnrufen der Hirsche. Nichts. Dafür sahen wir ein paar Hirsche und Vögel. Als wir schon nicht mehr an eine Tigerbegegnung glaubten, erklangen irgendwo weit weg Warnrufe. Unser Naturführer beratschlagte sich mit dem Guide und wir brausten los. Immer wieder hielten wir an und horchten in den Wald, dann kamen wir zu einer Stelle, an der schon andere Autos standen und warteten. Sie hatten bisher auch nur die Warnrufe vernommen und festgestellt, dass es sich um zwei paarungswillige Tiger handeln muss. Dann erklang ein Brüllen. Wir fuhren weiter und gelangten an das andere Ende des Waldes. Eigentlich unglaublich, dass die Tiger so gut getarnt sind, denn wir sahen nichts, auch nicht als unser Guide schon wie wild gestikulierte. Wo bitte soll denn da ein Tiger sein, unter dem Baum dort???  Dann sah auch ich sie - zwei Tiger im Liebestaumel bewegten sich durch die Büsche, doch leider bis auf eine ganz kurze Kopfsichtung blieb es bei ein paar Fellfetzen. Dafür waren sie wieder einmal gut zu hören. Wir warteten so lange bis wir aus dem Park mussten, dann fuhren wir als eines der letzten Autos in Richtung Gate. In der Lodge erfuhren wir von Kerstin und Uwe, dass sie am Morgen in Zone 1 eine Tigershow hatten, das heißt, dass sie vom Elefantenrücken aus zu gesichteten Tigern gebracht wurden. So konnten sie eine Tigerin mit ihren drei Jungen beobachten. Wir sollten dafür am Nachmittag in Zone 1, da würden aber keine Elefantenritte zu den Tigern stattfinden, da sie nur in der Früh wären. Wir waren maßlos enttäuscht. Ich hätte mir nichts mehr gewünscht als die Tigerin mit ihren Jungen sehen zu können, aber leider war uns das nicht vergönnt. Am Nachmittag war die Tigerfamilie längst weiter gewandert. Unser Fahrer und unser Guide versuchten wirklich alles, um uns noch einen Tiger zu zeigen, aber vergebens. Bis auf ein paar Fledermäuse in einer alten Höhle, sahen wir ‚nur‘ ein paar Axis- und Sambar Hirsche, sowie zwei Mungos, die geschäftig davonhuschten. Dafür fuhren wir durch eine wahnsinnig schöne Landschaft. Über Serpentinen ging es steil den Berg hinauf und dann wieder sanft hinab, wir querten Flüsschen, sahen die alte Festung hoch oben auf den Felsen, fuhren durch Ebenen mit Weideland und vielen Seen und achteten sehr auf das Verhalten der Hirsche. Nichts. An einem Wasserloch wurde es noch einmal etwas spannend, als ein Warnruf erklang, aber leider tat sich nichts. Trotzdem war es ein schöner Nachmittag, der mit einem noch schöneren Abend endete. Denn an diesem Abend waren wir die einzigen Gäste der Lodge. So hatte sich das Personal alle Mühe gegeben und uns am Wasserloch ein Candle-Light-Dinner gezaubert. Zuerst mussten wir den Lichtern folgen und über ein paar Felsen klettern, dann kamen wir zu einem perfekt gedeckten Tisch auf dem die Kerzen im Mondlicht funkelten. Es war sehr hell, denn der Vollmond beleuchtete die Landschaft um uns herum. Wir fühlten uns wie die Könige und wurden auch so verwöhnt. Sehr zufrieden gingen wir ins Bett.

Übernachtung: Tree House Hideaway, Bandhavgarh Tiger Reserve

Samstag, 10.03.2012
22. Tag

Eigentlich wäre an diesem Morgen keine Safari mehr gewesen, aber da der Transfer zum Kanha Nationalpark nur ca. 5-6 Stunden dauern sollte, organisierte uns Erwin eine letzte Safari. Noch einmal sollten wir die Chance bekommen einen Tiger zu entdecken. Unser Fahrer war gleich organisiert und auch unser Guide freut sich auf eine letzte Chance. Schon ging es los. Ich weiß nicht, wie viel Kilometer wir an diesem Morgen zurücklegten. Wir sahen einige neue Abschnitte des Parks, fragten Waldarbeiter nach Tigern, beobachteten Gaur (Indische Bisons), die bald ausgewildert werden sollten, sahen Hirsche und Affen, eine Racke posierte toll auf einem Halm, aber nirgendwo war eine Katze zu entdecken. Dafür zeigte uns unser Guide noch einen Tigerkratzbaum, an dem deutlich bis in fast 2 Meter Höhe Kratzspuren zu sehen waren.
Auch ohne letzte Tigerbegegnung genossen wir unsere letzte Safari in diesem schönen Park in vollen Zügen.
Ein kleines Highlight gab es dann doch noch zum Abschluss der Safari. Wir standen wieder an dem Wasserloch von der ersten aufregenden Tigerbegegnung und warteten dort, als auf einmal wie aus dem Nichts eine Dschungelkatze auf die Straße spazierte. Sie schaute kurz zu uns rüber und wälzte sich dann voller Wonne auf der staubigen Straße. Dann stand sie auf, warf noch einen letzten Blick über die Schulter und ging ihres Weges. Wir waren alle dermaßen perplex, dass keinem von uns ein brauchbares Bild gelang. Aber für mich war es ein toller Moment.
Um 11 Uhr waren wir dann wieder an der Lodge, frühstückten dort und luden dann das Gepäck ins Auto, um zur letzten Etappe unserer Reise zu gelangen, dem Kanha Nationalpark.

In der bewährten Sitz-/Packordnung brachen wir mittags zum Kanha Nationalpark auf. Unser Fahrer fuhr diesmal etwas rasanter, aber sicher, so dass wir in den zahlreichen Kurven auf der Strecke ganz schön hin- und hergeworfen wurden. Die fünfstündige Fahrt verging sozusagen wie im Fluge. Die kleinen Dörfer rauschten an uns vorbei, wie auch die Landschaft, die hauptsächlich aus Zuckerrohrfeldern, unbestellten Reisfeldern, Ziegeleien und vielen Menschen am Straßenrand geprägt war. 
Im kleinen Ort Mocha musste unser Speedy dann doch noch eine kurze Zwangspause einlegen, denn hier wusste er nicht mehr weiter. Nach einem Telefonat mit unserer Lodge holperten wir dann ein wenig langsamer eine Piste entlang. Diesmal sahen wir etwas mehr von den schönen Reisfeldern, die jedoch erst im Monsun bepflanzt werden und jetzt etwas trostlos vor uns lagen. Wir fuhren durch ein paar kleine Dörfer, sahen Frauen an den Brunnen Wasser schöpfen und Kühe über die Felder wandern. Dann bogen wir noch in eine letzte Abzeigung ein und standen vor der ‚Flame of the Forest’ Lodge, besser gesagt vor dem Eingangsgate, die Lodge erreicht man erst nach dem Überqueren einer kleinen Holzbrücke. Karan, der Besitzer der Lodge, erwartete uns schon mit einem leckeren Getränk. Nach der langen Fahrt war das genau das Richtige. Karan hat sich hier zusammen mit seiner Frau Isa einen Traum verwirklicht und eine kleine individuelle Lodge erschaffen, die nicht nur sehr luxuriös ist, sondern auch vor Herzlichkeit nahezu strahlt.
Die offene Eingangshalle geht nahtlos in den Essenraum und die Lappa über. Der Blick kann dabei ungehindert über das Flussbett des Banjar streifen, vor dem ein paar Felder bewirtschaftet werden. Vieles wird hier extra für die Lodge angebaut.
Nachdem wir uns umgeschaut hatten, führte uns Karan zu unseren Zimmern, von denen es nur vier gibt. Unser Bungalow war der letzte in der Reihe. Wir staunten nicht schlecht, als wir ihn sahen und betraten. Das Haus war absolut perfekt und liebevoll gestaltet und auf traditionelle Weise von außen mit Kuhmist verputzt und innen wunderschön eingerichtet.  Ein riesiges Bett steht in der Raummitte, Sitzgelegenheiten und Schreibplätze sorgen für eine Wohlfühlatmosphäre. Überall stehen Kerzen, Bilder hängen an den Wänden und eine große Terrasse, die mit einem Sonnensegel überspannt ist, lädt zum Verweilen ein. Die Dusche ist super, nur mit geschwärzten Pfählen und Saris als Sichtschutz, aber das Beste ist die Außendusche, die als kleiner Wasserfall über die Steine sprudelt. Als Karan sie uns zeigte, suchten wir anfangs vergeblich nach den Wasserhähnen und dem Duschkopf, die perfekt in die Natursteine eingearbeitet sind. Einfach nur klasse hier! Neben unserem Häuschen steht ein riesiges Bett, das mit einem Baldachin überzogen ist und so Schutz vor der intensiven Sonne bietet. Darauf liegen zig Kissen und an den Seiten hängen Stoffe, die im Wind wehen. So kamen wir uns ein wenig wie ein Prinzenpaar aus einem Märchen vor. Hier würden wir die restlichen Urlaubstage verbringen.
Als wir zum Abendessen nach vorne kamen, brannte ein riesiges Feuer in der Lappa. Kerstin und Uwe saßen schon dort und erzählten mit Karan. Selbstgeröstete Erdnüsse und Chilitoast wurden gereicht. Wir saßen um das Feuer herum und genossen den etwas kühleren Abend nach diesem heißen Fahrtag. Jetzt lernten wir auch Isa, Karan´s Frau kennen, die für die ganzen liebevollen Details verantwortlich ist, die uns immer wieder in der gesamten Anlage auffielen.
Nachdem alle Gäste eingetroffen waren wurde uns noch am Lagerfeuer die Suppe serviert. Schon beim ersten Löffel fiel uns auf, dass der Koch einfach nur genial ist, denn die Suppe war ein Traum. Auch das weitere Abendessen, das wir gemeinsam am großen Tisch einnahmen, schmeckte hervorragend. Hier in der Lodge bekamen wir bei weitem das beste indische Essen der gesamten Reise. Es war überall schmackhaft und gut, aber hier passte alles. Die Gewürze harmonierten mit den Speisen und es war jedes Mal ein kulinarisches Fest in unseren Mündern. Selbst die Linsen, die immer zum Reis gereicht wurden, waren hier so gut gewürzt, dass wir unsere Schälchen fast schon ausschlürften. Wir lernten auch jede Menge neuer Gemüsesorten und Gerichte kennen. Besonders gut war für uns, dass Isa uns alles genau erklären konnte und so lernten wir einiges über die indische Küche aber noch viel mehr über das Leben und die Menschen hier in Indien. Die Zwei engagieren sich für ‚ihr’ Dorf. So gibt Isa Englischunterricht für die Kinder und Yogastunden. Sie versuchen so viel wie möglich über das Dorf an Waren zu beziehen und die Lebenssituation der Dorfbewohner zu verbessern. Wenn Isa von ‚ihrem’ Dorf erzählte, leuchteten ihre Augen und man sah ihr die Zuneigung an. Sie erzählten uns auch viel von den Missverhältnissen und der Rolle der Frauen in Indien. So wurde es nie langweilig, denn wir saugten das Wissen begierig in uns auf.
Es gibt noch viel zu tun, aber es gibt zum Glück auch Menschen, denen nicht alles egal ist und die sich einsetzen und mithelfen. So vergingen alle Abende in der Lodge mit angenehmen Gesprächen, die einem oft die Augen öffneten. Wir verstanden vieles besser und ich konnte fühlen, wie sich meine restlichen Vorurteile in Luft auflösten.
Natürlich waren wir schon gespannt auf den Park, aber er war schon nach dem Eintreffen in der Lodge zweitrangig geworden

Übernachtung: Flame of the Forest Lodge, Kanha Nationalpark

Sonntag, 11.03.2012
23. Tag

Sehr früh (4.45 Uhr) ging es an diesem Morgen los. Schnell füllten wir noch unsere Mägen mit etwas Porridge und tranken einen wirklich guten Kaffee dazu. Es war wieder empfindlich kalt an diesem Morgen, doch wir bekamen Decken gereicht, so dass wir uns ein wenig einkuscheln konnten.
Da wieder nur ein Auto für uns geordert war und Kerstin und Uwe den lodgeeigenen Fahrer hatten, wurde für uns ein Fahrer dazugeholt. Ein junger, netter und etwas schüchterner Inder mit Namen Viray, der oftmals für Karan fährt und uns sogleich sympathisch war, begrüßte uns am frühen Morgen. Doch für Smalltalk war keine Zeit und schon brausten wir dem Kanha Nationalpark entgegen, der ein Teil des zentralindischen Hochlandes ist. Der Park wurde 1955 gegründet  und erstreckt sich über eine Fläche von  940 km². Eine 1009 km² Pufferzone liegt sozusagen außen herum. Zusammen mit dem etwas abgelegenen 110 km² großen Phen-Schutzgebiet entstand das Kanha-Tigerreservat. Hier soll sich die Tigerpopulation erholt haben und es besteht eine gute Chance, diese gestreiften Jäger in freier Wildbahn beobachten zu können.
Die Vegetation besteht hauptsächlich aus Salwäldern, Mischwäldern und weiten Grasgebieten. Neben den Tigern gibt es hier auch Leoparden, Rothunde, Lippenbären, Gaur, Axis und Sambar Hirsche, Hochland-Barasinghas, eine Hirschart, die nur noch hier anzutreffen ist, sowie unzählige Vogelarten.
In den Kanha Nationalpark führen zwei Eingänge, die in den Dörfern Khatia und Mukki liegen. Unser Weg führte zum Khatia Gate. Dort standen wir jedoch erst einmal mit zig anderen Jeeps in einer langen Schlange und warteten auf die Toröffnung um 6.15 Uhr.
Kurz vor der Einfahrt in den Park wurde uns wieder ein Guide zugewiesen, der den Vormittag mit uns verbrachte und nach Tigern Ausschau halten sollte. Hier gab es leider nicht den Luxus, dass wir einen Guide bis zum Ende der Safaris bekamen, sondern es wurde gut durchmischt. So bekamen wir von sehr erfahrenen Guides mit einem tollen Englisch bis hin zu unerfahrenen, schüchternen jungen Männern, fast noch Jugendliche, alles geboten, was der Kanha Nationalpark zu bieten hatte.
Die Dunkelheit wich der Dämmerung und so langsam wurde es hell. Dann ging es los. Die Schranke wurde geöffnet und ein Guide sprang aufs Auto. Eigentlich hätten die Guides hinten sitzen müssen, aber durch unsere Fotoausrüstung hatten wir nur sehr wenig Platz im Jeep und so setzten sich die Guides nach vorne neben den Fahrer. Über eine Pufferzone kamen wir zum Kisli Gate im Inneren des Parks. Hier wurde noch einmal der Jeep registriert und dann waren wir endlich im Park. Leichter Morgennebel lag über der weiten Graslandschaft und unser Atem dampfte in der Kälte des Morgens. Wir kuschelten uns noch etwas fester in die Decken. Doch trotz der Kälte bestaunten wir fasziniert die Landschaft. An einem großen Baum hielten wir an. Hier hatte eine Brahma-Kauz-Familie ihr Nest und ein kleiner Kauz saß im Astloch und schaute müde auf uns hinab. Ein zweiter gesellte sich dazu. Die waren richtig nett anzuschauen. Unser Fahrer erzählte uns, dass er einmal das Glück hatte bis zu 6 Käuze in dem Astloch zu sehen. Kurze Zeit später ging es weiter, denn der frühe Morgen ist die beste Zeit, um einen Tiger zu entdecken. Schon sichtete unser Guide die ersten frischen Tigerspuren auf dem sandigen Boden, denen wir langsam folgten. Plötzlich erklangen Warnrufe der Axishirsche aus dem dichten Wald und gespannt lauschten wir. Die Warnrufe waren sehr nah, aber so richtig glaubten wir nicht an eine Tigersichtung, als auf einmal ein lautes Brüllen aus den Büschen erklang. Unser Guide vermutete zuerst einen Kampf zwischen zwei männlichen Tigern und wir warteten gebannt, als wie aus dem Nichts eine Tigerin auf den Weg sprang. Sie ließ sich gar nicht von uns stören und wanderte unbeirrt den Weg entlang. Nur ein einziges Mal schaute sie kurz zur Seite, dann ging sie weiter bis sie in dem undurchdringlichen Dickicht des Waldes verschwand. Wir schauten nach dem Tigermännchen, das noch irgendwo im Wald war, aber der Herr hatte keine Lust herauszukommen und so fuhren wir langsam weiter. Nach dieser aufregenden Sichtung gab es erst einmal an einer ausgewiesenen Picknickstelle Frühstück, das aus leckeren, mit Kartoffeln gefüllten Pfannkuchen, belegten Toastbroten, Obst, Saft, Kuchen, Tee und Kaffee bestand. Dazu legte unser Fahrer eine Decke über die Motorhaube des Jeeps und breitete die Leckereien darauf aus. Jetzt merkten wir erst, wie hungrig wir waren und wie gut das Frühstück schmeckte.
Danach fuhren wir weiter durch die wunderschöne Parklandschaft, sahen Axishirsche, Sambar Hirsche, Barasinghas, Lemuren und einige Vögel. An einer Stelle beobachteten wir eine Lemuren-Familie. Die Affen saßen friedlich miteinander am Boden und fraßen, doch immer wieder wurde die Idylle durch ein anderes Männchen gestört, das den Chef herausforderte und dazu permanent eigenwillige Laute ausstieß dabei die Zähne fletschte und auf die Affen losging. Dabei handelte es sich um Drohgebärden und mehr oder weniger Scheinangriffe, doch es reichte aus, um die Affenfamilie in helle Aufregung zu versetzen. Immer wieder wechselten sie die Straßenseite, doch der Angreifer gab keine Ruhe. Als es dem Chef zu viel wurde, setzte er zum Gegenangriff an und der Herausforderer nahm Reißaus. Doch sobald der Chef ihm den Rücken zudrehte, näherte sich der Herausforderer wieder und das Spiel begann von Neuem. Da hätten wir noch ewig zuschauen können, doch um 11 Uhr mussten wir den Park wieder verlassen und brausten zurück zur Lodge.

Hier gab es nach einer kurzen Pause auch schon Mittagessen, das wiederum absolut schmackhaft war. Danach relaxten wir noch etwas auf unserem Außen-Himmelbett und lasen ein wenig. Viel zu schnell verging die Zeit und schon saßen wir wieder im Jeep und fuhren zum Khatia Gate. Hier entschied unser Fahrer, dass wir einen anderen Weg fahren und so umrundeten wir einen kleinen See. Ganz in der Nähe standen im hohen goldgelben Gras einige indische Bisons, sogenannte Gaur und fraßen gemütlich. Kuhreiher standen auf ihren Rücken und beäugten uns kritisch, während einige Kälber spielerisch durch das Gras streiften.
Unser Fahrer wollte uns unbedingt einen weiteren Tiger zeigen und folgte jedem kleinen Hinweis. Wir waren auch sehr nah dran, denn einmal warnten ganz in der Nähe Sambar Hirsche und beim zweiten Mal sahen wir extrem frische Pfotenabdrücke auf unserem Weg und auch noch Speichelspuren daneben. Unser Fahrer und der Guide waren extrem angespannt und horchten lange in den Wald. Doch leider hatten wir den Burschen um weniger als eine Minute verpasst. Hätten wir nicht den riesigen Gaur-Bullen auf dem Weg beobachtet, hätten wir vielleicht den Tiger gesehen…, aber wer weiß das schon. Wir patroullierten den Weg hoch und runter, aber der Tiger zeigte sich nicht mehr, dann war es auch schon Zeit für den Rückweg, denn auch hier gibt es empfindliche Strafen, wenn man sich nicht an die Zeiten hält.
Leider sahen wir an diesem Nachmittag nur sehr wenige Tiere. Entweder waren wir etwas zu früh oder etwas zu spät, aber es war kurzweilig und immer wieder spannend. Schon am Vormittag wurde es sehr warm, so dass wir eine Lage Klamotten nach der anderen ablegen konnten. Jetzt am Nachmittag war es heiß und dampfig, so dass der Fahrtwind sehr angenehm war.
Um 18.30 Uhr waren wir zurück in der Lodge und hatten noch eine Stunde Zeit, ehe es zum Abendessen ging. Am Feuer wurden wieder leckere Snacks gereicht und die Suppe serviert. Das Essen begeisterte uns aufs Neue. Der Koch verstand wirklich sein Handwerk. An diesem Abend gingen wir früh ins Bett, denn der Tag war anstrengend und lang und am nächsten Morgen würde der Weckdienst schon wieder um 4.45 Uhr an unserer Tür klopfen.

Übernachtung: Flame of the Forest Lodge, Kanha Nationalpark

Montag, 12.03.2012 - Mittwoch, 14.03.2012
24.-26. Tag

Jeden Morgen kämpften wir uns voller Vorfreude aus den Betten, denn nach den langen Tagen schliefen wir wie die Murmeltiere. Schnell verschlangen wir ein kleines Frühstück und schon saßen wir auf dem Jeep. Es wurde langsam wärmer. Ein Tag ähnelte dem anderen, die Konturen verwischten und doch war jeder Tag einzigartig und es gab viel zu entdecken für uns.
Morgens fuhren wir angespannt auf verräterische Warnrufe der Hirsche achtend durch den Wald, beobachteten die weiten Grasflächen und lauschten den Geräuschen der Vögel. Doch meistens tat sich nichts. Die Landschaft lag friedlich im Morgendunst vor uns, Vögel zwitscherten und der allgegenwärtige Ruf der Pfauen erschall durch den Wald. Sambar Hirsche liefen durch das Gras, aufgeweckte Hirschkälber folgten den Müttern. Gaur fraßen auf den Wiesen und wir entdeckten sogar die Sensation des Parks, ein weißes Bisonkalb, das mit neugierigen Augen die Welt betrachtete. Zweimal konnten wir einen Lippenbären für kurze Zeit beobachten. Diese zotteligen schwarzen Gesellen, schauen richtig niedlich aus, aber leider waren sie auch sehr scheu und suchten schnell das Weite. Ein weiteres Highlight war ein Tigerpython, der neben der Straße lag und sich dann langsam die Böschung hinaufarbeitete, dabei mit der Zunge die Umgebung abtastete und das Laub raschelnd zur Seite schob. Ein Morgen war besonders spannend, als wir Mahuts mit ihren Elefanten durch das Gras laufen sahen. Ein Tiger sollte in der Nähe sein, doch für uns wäre er mitten im Grasland unerreichbar weit weg. Für die Elefanten wäre er jedoch auffindbar gewesen, aber leider hatte sich der Bursche unsichtbar gemacht.
Frühstück gab es immer an einer dafür ausgewiesenen Stelle im Park, nur hier durfte man das Auto verlassen und auch nur hier gab es die Möglichkeit eine Toilette aufzusuchen. Das fiel uns nicht immer leicht, denn mit einer vollen Blase konnte eine holprige Jeeptour schon mal zu einer Herausforderung werden.
An den Picknickstellen trafen wir auch immer wieder die anderen Jeeps der Lodge und tauschten mit ihnen die Sichtungen aus. Gleichzeitig mit uns waren noch zwei Schweizer und ein deutsch-französisches Paar unterwegs. Witzig war, dass wir Patrick und seine Frau Jacorine schon von einem Emailverkehr her kannten, was wir im Laufe der Zeit feststellten. Wieder einmal wurde uns klar, wie klein die Welt doch ist.

Mittags genossen wir die Zeit nach dem Essen und faulenzten auf unserem Himmelbett im Freien, schrieben Tagebuch und lasen ein wenig in unseren Büchern.
Die Nachmittagstouren verliefen ähnlich wie die Vormittagstouren, nur dass sich die Spannung auf eine Tigersichtung im Laufe des Nachmittags steigerte. Leider war uns das Glück nicht mehr hold und wir mussten uns mit der einen Sichtung begnügen. Beklagen können wir uns trotzdem nicht, denn der Park war einfach genial. Interessant waren auch die vielen Waldarbeiter, die aus forsttechnischen Gründen an den Wegen kleinere Waldbrände legten und sie unter Kontrolle hielten (Feuerschneisen, um Waldbrände zu verhindern). Unser Fahrer fragte immer wieder nach Tigern, aber niemand hatte etwas gehört oder gesehen. Einmal verfehlten wir einen Tiger um Haaresbreite, etliche andere Autos hatten ihn entdeckt und konnten ihm etwas folgen, doch zu dem Zeitpunkt waren wir gerade woanders im Park unterwegs und genau diese Strecke auf der sich der Tiger bewegte, hatten wir kurz vorher zurückgelegt.
An einem Abend fuhr unser Fahrer mit uns extra einen anderen Weg zur Lodge, da er auf dieser Strecke schon oft Leoparden in der Dämmerung gesehen hatte. Aber auch hier hatten wir kein Glück und unser junger Freund war schon etwas verzweifelt. Dafür sahen wir an einem Abend nah der Lodge eine Dschungelkatze gemächlich von dannen ziehen. Alle Tiere innerhalb des Parks könnte man natürlich auch draußen sehen und so blieb jede Fahrt zur Lodge spannend.

Am Mittwochnachmittag war wie in allen anderen Parks der Kanha Nationalpark geschlossen. Als Ersatz organisierte Isa für uns einen Marktbesuch in dem kleinen Dörfchen Mocha; Karan und sie begleiteten uns und erzählten uns viel über die einheimischen Gemüsesorten, Gewürze und Lebensmittel. Die Verkäufer waren meist sehr einfache Menschen und sehr nett. Immer wieder fragten wir, ob wir Bilder machen dürften. Unsere Bitte wurde nur selten abgelehnt, meist dann, wenn derjenige unter Alkohol stand, was leider auch in Indien ein Problem ist. Besonders die Fisch- und die Fleischverkäufer hatten es uns angetan. Sie waren sichtlich stolz auf ihre Ware und posierten gerne vor der Kamera. Es tat uns zwar irgendwie leid, dass die Hühner gerade noch lebten und vor unseren Augen ausgeblutet, gerupft und zerlegt wurden, aber dafür war die Ware sehr frisch und es war interessant, den ganzen Ablauf zu beobachten. Die Fische stammten aus den großen Flüssen und waren auch dementsprechend frisch. Nichts stank gammlig, alles sah sehr ordentlich aus.
Neben den Lebensmitteln konnte man hier auch Saris und Stoffe kaufen, was Jacorine und Isa auch taten. Der Verkäufer, ein Sikh sah genau das Interesse der Frauen und bekam einen sehr guten Preis für seine Waren und Jacorine wunderschöne 6-8 Meter lange Saris für ein paar Euro. So waren beide Parteien glücklich und wir hatten das Vergnügen, Karan beim Handeln zu beobachten. Es war alles so exotisch und interessant. Wir wussten zum Teil gar nicht wohin wir zuerst schauen sollten. Links waren die Gemüsesorten, rechts die Fisch- und Fleischverkäufer, in der Mitte die Dinge des täglichen Bedarfs und kleine Essstände. Die Verkäufer saßen dabei auf dem Boden und der Käufer hockte sich dazu. Aber auch wir wurden neugierig beäugt, besonders von den Kindern, die erst schüchtern hinter der Mutter hervorschauten und sich nach einem Lächeln langsam näher trauten.
Der Nachmittag auf dem Markt verging wie im Fluge. Zum Sonnenuntergang waren wir zurück an der Lodge und sahen die Sonne orange gelb über dem Banjar Fluss untergehen. Friedliche Stille lag über dem Flussbett, dessen Wasser stellenweise schon fast ausgetrocknet war und nur noch sanftmütig dahin plätscherte. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, Vögel zwitscherten und weit weg hörte man einen Hund bellen.
Die Abende waren wunderschön und mittlerweile sehr warm. Glühwürmchen schwirrten zu Tausenden durch die Gegend und begeisterten uns immer wieder aufs Neue. Als wir an einem Abend zur Lappa kamen, fehlten an dem Esstisch sämtliche Stühle. Suchend schauten wir uns um. Das Essen gab es diesmal nahe des Flusses, sehr romantisch mit unzähligen Kerzen, die uns den Weg wiesen. Dabei umtanzten uns die Glühwürmchen und tausend Sterne funkelten vom Himmel. Es war einfach nur wunderschön und das Essen schmeckte gleich noch viel besser. An einem anderen Abend wanderten wir fast bis zu unserem Bungalow. Auch hier gab es das Essen festlich gedeckt unter ein paar Bäumen. Wieder funkelten die Kerzen in der Nacht und die Atmosphäre war wunderschön. Dabei entdeckten wir auch wieder eine Dschungelkatze, die auf dem Gelände der Lodge lebt und an unserem Bungalow vorbeispazierte.
Die Gespräche mit Isa und Karan weckten in uns den Wunsch noch mehr über das Leben der Menschen hier in Indien zu erfahren. Immer wieder fielen uns Fragen ein, die Isa bereitwillig beantwortete. Einiges bestätigte unsere Vermutungen, wie z.B. dass es eine Geste des Respekts ist, wenn ein Mensch den anderen an die Knöchel fasst, dass es nicht selbstverständlich ist, dass eine Frau einen Mann verlassen darf, wenn er sie schlägt – gerade in den ländlichen Gebieten; dass die Kühe gar nicht so heilig sind, wie immer behauptet wird, sondern jedes Tier Respekt verdiene und vieles mehr. So vergingen die Tage viel zu schnell und der Abschied nahte. Wir fühlten uns hier ein wenig wie zu Hause und wären gerne noch geblieben, doch die Zeit unseres Rückflugs näherte sich beständig.

Übernachtung: Flame of the Forest Lodge, Kanha Nationalpark

Donnerstag, 15.03.2012
27. Tag

Am Morgen unternahmen wir eine letzte Safari, doch leider hatten wir auch diesmal Pech, während alle anderen einen Tiger sahen, waren wir wieder einmal zur falschen Zeit am richtigen Ort und zur richtigen Zeit woanders. Viray und der Guide waren fast untröstlich und so schluckten wir die eigene Enttäuschung herunter und trösteten unseren Fahrer. Wir versprachen wiederzukommen und den Tigern noch eine Chance zu geben. Zu einer erfolgreichen Tigersafari gehört viel Wissen aber auch eine Menge Glück und das hatten wir nicht an diesem Tag. Dort, wo der Tiger zuletzt gesichtet wurde, verbrachten wir den restlichen Vormittag. Auch wenn uns das Tigerglück nicht hold war, haben wir den Kanha Nationalpark fest in unser Herz geschlossen mit seiner schönen Landschaft aus Sal- und Mischwäldern, weiten Grasflächen, den Seen und Flüssen und seinen Bewohnern.
Zurück in der Lodge verabschiedeten wir uns von Viray und versprachen ihm wiederzukommen. In der Lodge gab es ein letztes geniales Mittagessen, dann hieß es Abschied nehmen von Isa und Karan, die uns so viel über die Menschen und die Natur erzählten; dem liebenswerten Naturführer, der uns abends am Lagerfeuer einiges über die Sterne erzählte; dem Koch, den wir am liebsten mitgenommen hätten und dem Manager der Lodge Dhansingh, der Uwe und Kerstin durch den Nationalpark gefahren hatte.
Mit einer Träne im Auge sahen wir Isa und Karan im Staub unseres Autos verschwinden. Bald würde der Monsun kommen und die trockene staubige Landschaft in ein Meer aus Grün und Leben verwandeln. Der Fluss würde groß und reißend werden und überall neues Leben entstehen. Wir beneideten die Zwei ein wenig darum, dieses Schauspiel wieder und wieder beobachten zu können und blickten wehmütig zu ihnen zurück. Ihre Gastfreundschaft und dieser besondere Ort vermittelten uns Geborgenheit und Nähe, so fühlten wir uns als ein Teil des Ganzen und nicht nur als ein Gast. Danke Euch beiden dafür!
Ein letztes Mal stiegen wir zu einem Fahrer ins Auto, der uns nach Nagpur bringen würde. Die Straße war sehr abwechslungsreich und voller Schlaglöcher. Immer wieder kamen uns Autos entgegen, da ihre Fahrspuren unpassierbar waren. Besonders einmal kamen wir kurz ins Schwitzen, als auf unserer Spur ein LKW mit Vollgas angebraust kam und bis zuletzt unklar war, wer ausweichen würde. Logisch, dass wir als kleineres Auto nach links auf den holprigen Seitenstreifen fuhren, während der LKW auf unserer Spur hupend an uns vorbeirauschte. Doch mittlerweile waren wir ja Einiges gewohnt und so zuckten wir nur noch grinsend die Achseln und stellten uns diese Situation in Deutschland vor – was einfach unmöglich wäre.
Wir kamen am Pench-Nationalpark, einem weiteren Tigerschutzgebiet, vorbei und wiederum an unzähligen Dörfern und Feldern, beobachteten Äffchen am Straßenrand und bewunderten die farbenfrohen Frauen, die trotz schwerer staubiger Arbeit immer sauber und sehr hübsch aussahen. Kurz vor Nagpur kamen wir auf eine neue Teerstraße und wie auch der Urlaub war auch das Geholpere zu Ende. Die dörfliche Idylle war einem riesigen Vorstadtgewirr gewichen. Marktstände bestimmten nun das Straßenbild. Wir sahen sogar noch eine Hochzeit am Straßenrand.
Im Dunkeln erreichten wir Nagpur. Wir fuhren durch die Großstadt und merkten hier erst, wie weit weg wir waren von all dem Trubel, den Menschenmassen, dem Smog und Dreck. Trotzdem war alles vertraut, denn auch hier lagen mitten auf der Straße Kühe herum, eine direkt an der Kreuzung, die von den Autofahrern umfahren wurde. Es wurde gehupt ohne Unterlass, wir waren zurück in der Zivilisation.
Unser Hotel ‚The Pride‘ lag fast direkt am Flughafen. Eigentlich wollten wir noch etwas die Stadt erkunden, aber nach den schönen Tagen im Kanha Nationalpark ließen wir das sein. Wir aßen im Hotelrestaurant und waren erstaunt, dass es uns nach dem köstlichen Lodgeessen gut schmeckte.
Unser Zimmer war groß und schön. Witzig war, dass man direkt vom Schlafzimmer durch eine große Glaswand in die Dusche schauen konnte.
Bald schon schliefen wir tief und fest und träumten von Tigern und endlosen Safaris in der Hitze Indiens.

Übernachtung: Hotel The Pride, Nagpur

Freitag, 16.03. - Samstag, 17.03.2012
28.-29. Tag

Schon sehr zeitig bekamen wir ein Frühstück, dann brachte uns ein Shuttle zum Flughafen, der sozusagen nebenan lag.
Wieder einmal wurde unser Ticket streng kontrolliert, dann durften wir in die Abfertigungshalle. An diesem Morgen flogen wir mit Air India. Unser Gepäck passte vom Gewicht perfekt, aber diesmal interessierte es niemanden. Wieder bekamen wir für jedes Gepäckstück einen Anhänger, der abgestempelt werden musste, um mit an Bord zu dürfen. Wieder wurden wir genau kontrolliert, dann ging es los nach Delhi und die Industriestadt Nagpur verschwand langsam unter uns im Smog.
Um ca. 11 Uhr landeten wir am Indira Gandhi Flughafen, wo uns schon ein Fahrer erwartete. Er brachte uns nach Manesar, einen Vorort Delhis, der ca. 24 km vom Flughafen entfernt liegt. Über mehrspurige Straßen, auf denen es wie gewohnt chaotisch zuging, kämpften wir uns zu unserem Hotel ‚The Heritage Village Manesar’ vor, das wir nach ca. 40 Minuten erreichten. Das Hotel ist ein riesiger zweistöckiger Komplex mit einer tollen Gartenanlage. Ein großer Pool lädt zum Verweilen ein. Unser Zimmer war klein aber sehr nett. Wir besichtigten die Anlage, aßen eine Kleinigkeit zum Mittag und legten uns dann an den Pool, während Kerstin und Uwe schon mal ‚vorschliefen’. Sie mussten schon um 1 Uhr nachts wieder los, während wir noch fast bis 5 Uhr „ausschlafen“ konnten. So genossen wir noch einmal die Sonne Indiens am Pool und lasen in unseren Büchern. Zum Abend  trafen wir uns mit Kerstin und Uwe auf einen letzten Urlaubsdrink, dann verschwanden wir in unserem Zimmer, packten unsere Taschen fertig und gingen zeitig ins Bett.

Sehr früh klingelte unser Wecker. Verschlafen krochen wir aus unseren Betten, sprangen noch schnell unter die Dusche, um unsere Lebensgeister zu wecken. Im Frühstücksraum war schon Betrieb und so bekamen wir sogar etwas zu essen und einen Tee dazu. Unser Fahrer erwartete uns und verlud unser Gepäck sorgsam im Auto. Über die gleiche mehrspurige Autobahn ging es zum Flughafen, wo wir eincheckten und die restliche Wartezeit bis zum Abflug am Gate verbrachten.
Die Lufthansa brachte uns wieder gut zurück nach Deutschland, das Essen schmeckte sogar und wir schauten uns ein paar Filme an. Am Flughafen erwartete uns Franz, Chris' Schwager und brachte uns nach Hause. Es war schön wieder Daheim zu sein, bekannte Gesichter zu sehen und die Katzen in die Arme zu schließen. Etliche Telefonate mussten erledigt werden, bald schon stapelte sich die Wäsche und ein paar Mitbringsel fanden ihren Platz in unserer Wohnung.

Eine aufregende Zeit mit unzähligen Eindrücken lag nun hinter uns und musste verarbeitet werden. Indien hatte vor allem mich überrascht und so wurde aus einer ungewollten Reise eine Bereicherung, an die ich noch lange zurückdenken werde. Der Werbeslogan ‚Incredible India’ - unglaubliches Indien traf in allen Belangen zu und so fand dieses farbenfrohe intensive Land mit seinen freundlichen Menschen und seiner einzigartigen Natur einen festen Platz in meinem Herzen. Ich weiß noch nicht wann, aber ich weiß, dass wir zurück nach Indien kommen werden. Vielleicht noch nicht gleich, doch sicher irgendwann werden wir wieder in das Land aus ‚Tausend und einer Nacht’ reisen und uns aufs Neue verzaubern lassen. Sicherlich ist nicht alles toll in Indien und nicht alles sollte in den höchsten Tönen gelobt werden, aber das ist eine andere Geschichte und nicht die unserer Reise.

Man darf nicht den Glauben an die Menschheit verlieren. Die Menschheit ist wie ein Ozean; wenn einige Tropfen des Ozean schmutzig sind, dann wird der Ozean deshalb nicht schmutzig.

„Der Mensch ist dort zuhause wo sein Herz ist,
nicht dort, wo sein Körper ist.“

Mahatma Gandhi

Lieben Dank allen fleißigen Lesern für das Interesse und meinen Korrekturlesern für die mühevolle Arbeit.